Hausverbot für kritischen Journalisten und Satiriker
Archivmeldung vom 14.04.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm Wahlabend der Landratswahl im Schwalm-Eder-Kreis (Hessen), dem 13.04.2008, betrat der freie Journalist Rainer Sander gegen 20:30 Uhr die Kreisverwaltung in Homberg, in der die öffentliche Bekanntgabe des Wahlergebnisses erwartet wurde. Er hielt sich zunächst unbehelligt im Vorraum der Kantine und dem Sitzungszimmer auf, in dem die eingehenden Ergebnisse aus den Wahllokalen präsentiert wurden.
Er sammelte in der Kantine Meinungen und nahm Stimmungen auf. U.a. konnte er ein kurzes Gespräch mit der unterlegenen Kandidatin Jutta Rüddenklau führen und hoffte auf ein kurzes Statement des Wahlsiegers Frank-Martin Neupärtl.
Verweis mit Hausverbot
Kurz vor 21:00 Uhr trat der – nach den Zwischenergebnissen - gerade wiedergewählte Landrat, der bis dahin Journalisten-Kollegen Interviews gegeben hatte, auf Herrn Sander zu und erklärte ihm, dass er in der Kreisverwaltung unerwünscht sei und forderte ihn auf, das öffentliche Verwaltungsgebäude zu verlassen. Auf Nachfrage, ob das in seiner Funktion als Journalist geschehe, gab Herr Neupärtl keine Antwort sondern holte einen Zeugen aus dem Sitzungszimmer der Kreisverwaltung. In dessen Gegenwart und vor zahlreichen anwesenden Gästen sowie Journalisten-Kollegen wiederholte Herr Neupärtl seine Anweisung: „Herr Sander, vor Zeugen, Sie sind in der Kreisverwaltung unerwünscht, bitte verlassen Sie das Haus!“
Es erfolgte keinerlei Begründung für den Rauswurf. Da die Funktion von Herrn Sander als freier Journalist, der u.a. für Nordhessennews nh24 tätig ist, hinlänglich bekannt ist und er selbst - nach der ersten Aufforderung zu gehen - zu erkennen gab, sich als Journalist im Hause aufzuhalten, ist der Verweis aus einem öffentlichen Gebäude ein bedauerlicher Angriff auf das Deutsche Grundrecht der Pressefreiheit.
Satiren und unangenehme Recherche als Grund?
Nordhessennews nh24 vermutet, dass zwei satirische Videokolumnen, die als solche erkennbar sind und die Berichterstattungen über die Ausschreibungen der Buslinien im Schwalm-Eder-Kreis, sowie die Recherchen im Fall der Überstundenaffäre Jesberg und das Übersehen falscher Belege durch das Rechnungsprüfungsamt des Schwalm-Eder-Kreises, den Unmut des Landrates hervorgerufen haben könnten. Wenn das so ist, sollte dem Nordhessennews-Redakteur, der auch für eine Anzeigen-Zeitung und ein Marketing-Unternehmen tätig ist, ein Maulkorb in besonders drastischer Weise verhängt werden. Das Ergebnis ist, dass er nun auch in privaten oder geschäftlichen Angelegenheiten nicht einmal die Führerscheinstelle, die Wirtschaftsförderung oder das Jugendamt betreten darf ohne sich dem Vorwurf des Hausfriedensbruchs auszusetzen. Eine offizielle Begründung für das Hausverbot liegt nicht vor. Eine journalistische Tätigkeit ist auf Kreisebene praktisch nicht mehr möglich.
Die Kreisverwaltung ist ein öffentliches Gebäude, für das – wenn
überhaupt - nur bei erheblichen Vergehen ein Hausverbot erteilt werden
kann. Weder nh24 noch deren Redakteur wurde aber irgendetwas etwas zur
Last gelegt. Eine Begründung wurde verweigert. An der Berichterstattung
wurde in keinem Fall Kritik geäußert oder ihr Wahrheitsgehalt
bezweifelt.
Aus Sicht von nh24 ist es ein unglaublicher Vorgang und eine gesetzwidrige Einschränkung der Pressefreiheit, wenn ein Journalist ohne Begründung an der Ausübung seines Berufes bei der Berichterstattung über ein öffentliches Ereignis gehindert und noch dazu mit Hausverbot belegt wird.
Quelle: Nordhessennews nh24