SNA-Radio in Berlin abgeschaltet
Archivmeldung vom 01.03.2019
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSNA-Radio, das Radioprogramm von Sputniknews in Berlin und Brandenburg ist seit dem 1. März nicht mehr auf DAB+ über den Partner MEGA-Radio zu empfangen. Grund ist eine Entscheidung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Der dagegen gerichtete Rechtsstreit war bislang erfolglos, berührt aber aus Sicht von SNA-Radio grundsätzliche Fragen, schreibt das russische online Magazin "Sputnik".
Weiter heißt es auf der deutschen Webseite: „Von der 2010 verstorbenen Gründerin der Bürgerrechtsbewegung Neues Forum in der DDR, Bärbel Bohley, wird in verschiedenen Versionen der Satz überliefert, „wir haben Gerechtigkeit erwartet und den Rechtsstaat bekommen“. Unabhängig davon, dass noch immer nicht zweifelsfrei belegt ist, ob Bohley diesen Satz tatsächlich so gesagt hat und abgesehen davon, dass Bohley sich wahrscheinlich beschweren würde, dass wir sie in diesem Zusammenhang zitieren, aber der ihr in den Mund gelegte Satz, beschreibt sehr zutreffend das Grunddilemma des Rechtsstaates. Er schützt nicht vor Willkür.
Recht haben und Recht bekommen
Recht haben und Recht bekommen, liegt in Deutschland immer auch im Interpretations- und Ermessensspielraum von Gerichten und Richtern. Deren Totschlagsargument Nummer eins: „nicht substantiierter“ oder „nicht glaubwürdiger“ Vortrag. Anwälte können stundenlange, mit etlichen Zitaten aus und Kommentaren zu Grundsatzurteilen gespickte Plädoyers halten, wenn Richter sie nicht überzeugend finden, weil sie nicht überzeugt werden, sondern urteilen wollen, bleibt nur das Anrufen der nächsthöheren Instanz.
Um sich davor zu schützen, dass Behörden mit Entscheidungen Fakten schaffen, die unumkehrbar sind, gibt es das Institut des einstweiligen Rechtschutzes. Aber auch das kann gewährt oder nicht gewährt werden auf der Basis von Ermessensentscheidungen von Richtern. Und wenn die befinden, die Argumente der Anwälte, die eine einstweilige Verfügung beantragen, sind „nicht substantiiert“ oder „nicht glaubwürdig“, dann hat man schlechte Karten. Im Zweifel versagt dann auch das Anrufen des Bundesverfassungsgerichtes, weil das noch viel engere Maßstäbe anlegt, unter anderem wegen des sehr nachvollziehbaren Argumentes, sich nicht in Rechtsstreitigkeiten als Bremse missbrauchen zu lassen. Leider kann das dann aber im Ernstfall bedeuten, dass man Behördenentscheidungen hinnehmen muss, die Fakten schaffen, noch bevor ein Streit gerichtlich ausverhandelt ist. Oder aber, wie im Fall Mega-Radio in Berlin-Brandenburg gar nicht erst ausverhandelt werden kann, weil es der entscheidenden Behörde mit dem Abschalten gar nicht schnell genug gehen kann.
Es geht nicht um Programm, sondern um Politik
Denn es steht weniger der Verdacht im Raum, dass Mega-Radio nicht die volle Programmkontrolle habe, wie von der MABB, aber auch von der gemeinsamen Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten behauptet wird, sondern dass Mega-Radio wegen sachfremder Erwägungen, nämlich „großer“ Politik unbedingt abgeschaltet werden musste. Mega-Radio-Geschäftsführer Peter Valentino formulierte es so, man könne sich nicht des Eindrucks erwehren, „dass die Meinung Russlands in Berlin (politisch) wohl nicht erwünscht ist. Dabei hätte die Bevölkerung dieses Recht – aber diese wird ja nicht gefragt, sondern es wird von „oben“ entschieden, was die Menschen hören dürfen und was nicht.“
Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) hat es sehr viel eindeutiger zum Ausdruck gebracht, dass blanke Angst der Grund für die unverminderte Denunzierung von und die Verdachtsberichterstattung über Medien wie Sputniknews, inklusive SNA-Radio ist. In der mit diffamierenden Unterstellungen gespickten „Analyse“, „Die Wirkung der Staatsmedien Russlands in Deutschland“ vom 6.6.2016 fällt der entscheidende, ebenfalls mit einer Diffamierung angereicherte Satz gleich am Beginn:
„Russlands neue Informationsstrategie scheint effizient zu sein. Die Beiträge von RT und SNA werden im Netz häufig zitiert und auf Facebook geteilt. Sie werden in der Russland- oder Flüchtlingsdebatte nicht selten als eine ernsthafte Quelle wahrgenommen, zumindest als eine weitere, die etablierten Medien ergänzende.“
Angst vor dem Verlust der westlichen Deutungshoheit
Das ist es also. Die Angst vor dem Verlust der Deutungshoheit über deutsche, europäische und Weltpolitik. Die Angst vor dem Verlust der Entscheidungshoheit darüber, welche Themen den öffentlichen Diskurs bestimmen und welche nicht. Die Angst, Menschen könnten auf der Basis breiterer Informationsangebote, aufgrund der Kenntnis russischer Positionen und Sichtweisen zu Themen der Tagespolitik Fragen stellen, vielleicht sogar etwas in Frage stellen.
Das ist natürlich eine Gefahr für diejenigen, die der Ansicht sind, nur ihre Sichtweisen sind die allein seligmachenden. Nur wird sich das mit dem hektischen Abschalten solcher Informationsangebote maximal be-, aber nicht verhindern lassen. Die Zeit, in der hohe Damen und Herren aus zentralen Komitees den Menschen vorschreiben, was richtig und was falsch ist, was wahr und was unwahr, was sie denken, fühlen und fragen dürfen, die Zeiten sind vorbei, ob wir dafür einem Gott oder wem auch immer danken."
Quelle: Sputnik (Deutschland) - Andreas Peter