Aktuelle Stunde: Bedrohter Spiegel-Korrespondent sieht sich nach regierungskritischer Berichterstattung über Grubenunglück in Soma "zum Abschuss freigegeben"
Archivmeldung vom 23.05.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSpiegel-Korrespondent Hasnain Kazim hat einige hundert Morddrohungen erhalten, nachdem er regierungskritisch über das Grubenunglück in Soma in der Türkei berichtet hatte. Jetzt ist er aus Sorge um sein Leben nach Hamburg geflüchtet. Mit der Aktuellen Stunde sprach der Journalist über organisierte Twitterkampagnen und seinen temporären Rückzug nach Deutschland.
Im Interview beschrieb der Journalist auch seine Sorgen nach den Morddrohungen: "Man darf das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es ist die Gefahr da, dass irgendjemand es ernst meint. Ich habe um die 10.000 E-Mails, Tweets und Facebook-Kommentare bekommen, davon ein paar Hundert Morddrohungen."
Kazim verließ die Türkei aber auch, weil nach seinem Bericht Fotos von ihm via Twitter und Facebook verbreitet wurden. Dazu gab es Kommentare: "Das ist der Feind", "Das ist der jüdische Feind unseres ehrenwerten Premierministers Erdogan". "Das kam einem Aufruf gleich: Ich bin jetzt zum Abschuss freigegeben," sagte Kazim. Auch türkische Print-Medien griffen das Foto auf und druckten es ab.
Die Art und Weise, "wie da auf Leute losgegangen wird", weise darauf hin, dass die Kampagne organisiert ist. So sei zum Beispiel die Wortwahl der Tweets oft gleich. Auch gebe es viele Twitter-Accounts, die nur ihm folgten und sonst keine Kontakte hätten.
Wer könnte dahinter stecken? Kazim glaubt nicht, dass es tatsächlich aus der AKP, der derzeitigen Regierungspartei in der Türkei, kommt. Kazim: "Aber ich gehe davon aus, dass das fanatische Anhänger und sehr Kritik-unfähige Menschen sind, die den Premierminister als Heiligen sehen; Menschen, die auch sehr patriotisch sind bis hin zu nationalistisch."
Das Interview mit Hasnain Kazim finden Sie auf www.aktuellestunde.de
Quelle: WDR Westdeutscher Rundfunk (ots)