Türkische Journalisten gründen neue Medien in Deutschland - Zahl der Akademiker und Journalisten aus der Türkei steigt weiter
Archivmeldung vom 06.02.2017
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Freigeschaltet durch André OttCan Dündar, ehemaliger Chefredakteur der kritischen Tageszeitung Cumhuriyet in Istanbul, ist seit einigen Wochen Herausgeber eines zweisprachigen Onlinemediums, das in der Türkei prompt verboten wurde; die Tageszeitung betreibt seit Neuestem ebenfalls ein deutsch-türkisches Nachrichtenportal; der WDR sendet neuerdings "Die Türkei - unzensiert" auf Deutsch und auf Türkisch; und mindestens drei türkischsprachige TV-Sender, gegründet von Exil-Journalisten, sitzen in Köln und Berlin in den Startlöchern.
Etwa hundert Teilnehmer des Workshops "Digitaler Aufstand in der Türkei" am Wochenende, überwiegend aus dem Medienbereich, waren sich schnell einig: In der Türkei herrscht zur Zeit ein Angst- und Schreckensregime, das die Meinungs- und Pressefreiheit massiv unterdrückt.
Der Sprecher des KulturForums TürkeiDeutschland, Osman Okkan, machte darauf aufmerksam, dass immer mehr Journalisten und Akademiker aus der Türkei versuchten, sich ins Ausland abzusetzen, weil sie in ihrer Heimat massiv bedroht werden und keine Existenzgrundlage mehr sehen. Ihre Zahl wurde auf der Tagung von einigen Teilnehmern auf mindestens zwei Tausend geschätzt, Tendenz steigend.
Auch die von Erdogan kontrollierte türkischsprachige Presse in Deutschland spiele eine unrühmliche Rolle: Durch Aufrufe zur Denunziation, Beschimpfungen und Anfeindungen aggressivster Art werden nicht nur unliebsame Politiker wie Cem Özdemir und Andersdenkende wie Can Dündar zur Zielscheibe gemacht; die sogennanten "AK-Trolls" der regierungsnahen Kreise könnten sich vor allem in den sozialen Medien ungehindert ausbreiten und mit Hassparolen zur Gewalt gegen Oppositionelle aufrufen.
Zum Schluss des Workshops riefen die Teilnehmer Berufsverbände, öffentlich-rechtliche Anstalten wie private Medien- und Verlagshäuser in Deutschland auf, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, dem "anderen, demokratischen Teil der Türken " hier wie auch in der Türkei zu mehr Medienpräsenz zu verhelfen.
Gefordert wurden auch Patenschaften mit inhaftierten Journalisten, Akademikern und anderen Verfolgten in der Türkei, die den Terror immer abgelehnt haben; andererseits auch fachspezifische Sprachkurse, Praktika und Volontariate für die im Exil lebenden Akademiker und Journalisten.
Mit Hilfe von Verbänden und Stiftungen wird die Gründung einer Art "Media Watch" angestrebt, damit Vergehen des Erdogan-Regimes gegen Meinungs- und Pressefreiheit dokumentiert werden. Eine erweiterte Tagung zum Thema soll im Mai in Berlin stattfinden.
Quelle: Kulturforum TürkeiDeutschland e.V. (ots)