Nazis im Film – Agenten als Filmemacher
Archivmeldung vom 08.05.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer US-amerikanische Militärnachrichtendienst OSS hat maßgeblichen Einfluss auf das filmische Bild von Nazitätern und der nationalsozialistischen Verbrechen genommen. Dies ist das Zwischenergebnis eines Forschungsvorhabens der Philipps-Universität, das der Medienwissenschaftler Professor Dr. Andreas Dörner und Dr. Wolfgang Form vom Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse (ICWC) gemeinsam leiten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligte soeben die weitere Förderung des Projekts für ein Jahr.
Seit Anfang 2012 erforscht ein interdisziplinäres Team der Universität Marburg das US-amerikanische Filmprojekt zum Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess (IMT). „Die Überlieferungssituation der Filmbilder vom Prozess, ihr zeitgenössischer, außen- und besatzungspolitischer Entstehungshintergrund sowie die Ästhetisierung des Hauptkriegsverbrecherprozesses durch die Filme stehen im Zentrum unserer Forschungsarbeit“, legt Andreas Dörner dar.
„Die Fortsetzung des Vorhabens trägt Resultaten der ersten Förderungsphase Rechnung, die so nicht absehbar waren“, ergänzt Wolfgang Form. Die Recherchen der Wissenschaftler förderten einen weiteren wichtigen Akteur zutage, der wesentlich zur filmischen Gestaltung des Prozesses, seiner zeitgenössischen Verbreitung und Tradierung beigetragen hat: der US-amerikanische Militärgeheimdienst Office of Strategic Services (OSS), Vorläufer des Nachrichtendienstes CIA.
„Die Filmarbeiten während des Prozesses wurden zwar von Kamerateams der U.S. Army wahrgenommen“, erläutert Projektmitarbeiter Axel Fischer. „Der OSS war jedoch planerisch im Vorfeld tätig, hat da die Strippen gezogen und wichtige Eckpunkte der Inszenierung festgelegt.“ Wie Dörner ausführt, produzierte der Geheimdienst zudem Beweisfilme, mit denen er die audiovisuelle Repräsentation des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen bis heute prägt. „Durch die Umgestaltung des Gerichtssaals nach ästhetischen Kriterien und die Planung der filmischen Dokumentation im Vorfeld trug der Geheimdienst wesentlich zum Filmaspekt der Nürnberger Prozesse bei“, fügt Wolfgang Form hinzu.
Auch in der Fortsetzungsphase werden diskurs- und materialanalytische Untersuchungen miteinander gekoppelt, so dass schriftliche und filmische Quellen gleichberechtigt Beachtung finden und einander ergänzen. Ein wichtiges Zwischenergebnis stellt schon jetzt eine Datenbank dar, die erstmals einen belastbaren Zugang zu den über 3.000 Minuten Filmmaterial gewährt.
Quelle: Philipps-Universität Marburg (idw)