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Mai Thi Nguyen-Kim: "Man hätte früher sagen sollen, was Sache ist"

Archivmeldung vom 30.10.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.10.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Lobbyistin Mai Thi Nguyen-Kim : "obs/DB MOBIL/Katrin Binner"
Lobbyistin Mai Thi Nguyen-Kim : "obs/DB MOBIL/Katrin Binner"

Mit Beginn der Corona-Pandemie gab sie vielen Menschen in Deutschland Orientierung: Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim, deren Youtube-Kanal "maiLab" mehr als eine Million Zuschauer folgen. "Durch Corona ist die Wissenschaft endlich im Mainstream angekommen", sagt sie im Titelinterview mit DB MOBIL (Ausgabe November, EVT 30.10.2020).

Dass die große Präsenz von Wissenschaftlern im Fernsehen aber auch zu so großer Verwirrung führen könne, habe sie nicht erwartet. Sie kritisiert den Umgang vieler Medien mit den Ereignissen: "Wir hätten viel mehr Energie darauf verwenden sollen, nicht nur über Erkenntnisse zu sprechen, sondern sie detailliert zu erklären", sagt die 33-Jährige.

In der November-Ausgabe des Magazins der Deutschen Bahn mit dem Titel "Viel gelernt" blickt Nguyen-Kim auf das vergangene Jahr zurück und übt auch Kritik an Politik und Wissenschaft. Schon früh sei klar gewesen, dass der Zustand der Pandemie ein, zwei Jahre länger dauern würde. "Davon abgesehen hätten sowohl Politiker als auch Experten früher sagen sollen, was Sache ist. Das war der größte mediale Fehler in der Krise, von heute aus betrachtet."

Anfang April lud sie das Video "Corona fängt gerade erst an" auf Youtube hoch, bereits nach 24 Stunden wurde es mehr als eine Million Mal angesehen. Nguyen-Kim erläuterte die Lage in Auftritten bei Maybrit Illner, Markus Lanz und in den Tagesthemen. Für ihre Arbeit erhielt sie in diesem Jahr die Goldene Kamera für "Best of Information" und das Bundesverdienstkreuz.

Sie werde auch von Senioren auf der Straße erkannt, ihre größte Zielgruppe aber seien die Jugendlichen, die sie bei Youtube erreicht, sagt Nguyen-Kim im Gespräch mit DB MOBIL. Doch nicht nur das unterscheide sie von führenden Virologen wie Christian Drosten: "Es fängt damit an, dass ich nicht mehr aktiv in der Forschung bin und dadurch noch klarer meine Meinung sagen kann", sagt die promovierte Chemikerin und fügt hinzu: "Wir brauchen mehr Drostens. Ich hoffe, dass Christian Drosten viele Forscherinnen und Forscher dazu inspiriert, in die Öffentlichkeit zu gehen."

Mai Thi Nguyen-Kim lebt mit ihrem Ehemann, dem Chemiker Matthias Leiendecker, in Frankfurt am Main. Im Januar bekam sie ihr erstes Kind, eine Tochter, und kehrte Anfang April aus der Babypause zu der Arbeit an ihrem Youtube-Kanal zurück. Zum Schutz ihrer Tochter und ihrer Eltern schränke Nguyen-Kim ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum ein. Die Nachlässigkeit, die manche Deutsche gegenüber Senioren an den Tag legten, könne sie nicht nachvollziehen: "Stellen Sie sich mal vor, was für eine andere Stimmung herrschen würde, wenn Kinder die Risikogruppe wären. Dann hätten wir ein ganz anderes Land, und es würde weniger Demonstrationen geben, da bin ich mir sicher. Aber es sind ja nur die Alten!" Dennoch blickt sie in Erwartung auf Schnelltests, Impfungen und neue Medikamente optimistisch auf das kommende Jahr: "Wir sind weiter, als ich es vermutet hätte."

Quelle: DB MOBIL (ots)


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