Hape Kerkeling: "Heute kann man im Fernsehen keine Qualität mehr abliefern, wie ich sie mir wünsche"
Archivmeldung vom 18.12.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHape Kerkeling hat sich von der großen Showbühne verabschiedet. Zur Verfilmung seines Bestsellers "Ich bin dann mal weg", der am 24. Dezember 2015 in den Kinos startet, gab er HÖRZU ein großes Interview.
Hape Kerkeling hat jede Drehbuchfassung gesehen und jedes Castingvideo der Schauspieler. "Ich war sehr nervös, als ich den Film das erste Mal gesehen habe", sagt der Autor. "Er beginnt mit einem kurzen Offtext, den Devid Striesow spricht. Das ist der Originaltext aus meinem Buch, und ich war der festen Überzeugung, das sei meine Stimme. Insofern hatte Devid mich schon in der ersten Minute, weil ich dachte, er wäre ich. Mehr kann man nicht wollen." Keine Sekunde habe er darüber nachgedacht, sich selbst zu spielen. Fünfzehn Jahre sei es her, dass er sich auf den Jakobsweg begeben habe. Er sehe sich außerstande, mit 51 sein 36-Jähriges Ich darzustellen.
Er sei vor dieser Filmpremiere aber entspannter als bei seinen eigenen Produktionen: "Wenn ich in meine Filme gehe, weiß ich schon, dass ich mit einer Fresse rauskomme, weil ich es wieder nicht geschafft habe, so überzeugend zu spielen, dass auch ich begeistert bin als mein kritischster Zuschauer. Ich bin noch nie aus einer Vorführung, in der ich die Hauptrolle spielte, rausgegangen und habe gesagt: ,Toll!' Sondern: ,Na ja, geht so.' Das ist frustrierend. Es kann sogar körperlich richtig weh tun."
Zur Entscheidung, sich von der großen TV-Bühne zu verabschieden, sei es nicht auf dem Jakobsweg gekommen, sondern an seinem ersten Tag in einem TV-Studio im Jahr 1984. Er habe gedacht: "Auf was habe ich mich denn da eingelassen? Die sind ja alle komplett irre! Ich bin in einem Job gelandet, in dem ich von Irren und Wahnsinnigen umgeben bin, von Tyrannen, Narzissten, Drogenabhängigen, Alkoholsüchtigen. Was soll ich hier? Das habe ich 30 Jahre lang ausgehalten. Irgendwann ist dann auch mal gut."
Die Arbeit beim Fernsehen habe er als sehr anstrengend empfunden. "Als ich anfing, war es Haute Couture. Man hat sich Zeit genommen. Vier Wochen für die Vorbereitung, eine für die Probe. Heute ist es Prêt-à-porter. Man hat einen Tag Vorbereitung und einen halben Tag Probe. Es hat auch seinen Reiz, so spontan sein zu müssen. Aber man kann unter diesen Umständen keine Qualität mehr abliefern, wie ich sie mir wünsche. Das ist einer der Hauptgründe für meinen Abschied. Abgesehen davon: Der Druck ist enorm. Man muss funktionieren, diszipliniert sein, immer die Nerven beieinander haben. Diesen Moment des Schwächelns, den man sich in dieser Situation nicht erlauben könnte, möchte ich bei mir nicht erleben."
Quelle: HÖRZU (ots)