Ernst & Young-Studie belegt Unterdeckung bei Produktionskosten TV-Movies unterbezahlt
Archivmeldung vom 27.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJetzt ist es bewiesen: TV-Movies, ein Lieblingsprogramm deutscher Fernsehzuschauer, sind für die Produzenten dieser Formate ein Verlustgeschäft. Eine bei den Münchener Medientagen vorgestellte Untersuchung der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young zu "Renditen von TV-Movie-Produktionen" belegt empirisch exakt, was Produzenten und ihre Organisationen schon seit Jahren bemängeln:
Die Sender zahlen nicht - wie von ihnen behauptet -
100% der Kosten eines TV-Movies, denn bis zu 9,5% der Kosten müssen
Produzenten zuschießen.
Die Produzentenorganisation film20 und der Bundesverband der
Deutschen Fernsehproduzenten hatten diese Untersuchung gemeinsam in
Auftrag gegeben. "Das ist eine ganz außergewöhnliche Aktion der
Schaffung von Transparenz durch Selbst-Offenlegung. Die Produzenten
wollten endlich zweifelsfrei geklärt wissen, dass bei
Produktionspreisen und Preisbildung die Dinge entgegen den
Sender-Behauptungen eben nicht in Ordnung sind", so Georgia Tornow,
die Generalsekretärin von film20.
Die Münchener Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hat in
aufwändiger Untersuchungs- und Analysearbeit bei sechs renommierten
deutschen Produktionsfirmen deren TV-Movie-Produktion des Jahres 2001
untersucht. Insgesamt 35 im Jahre 2001 abgeschlossene Projekte - über
10% der damals ca. 300 TV-Movies starken deutschen Gesamtproduktion -
waren die repräsentative Stichprobe, zu der die Unternehmen den
Prüfern von Ernst & Young mit ihren Kalkulationen, mit ihrer
Buchhaltung und in Expertengesprächen Auskunft gaben. "Unsere
Untersuchung ist repräsentativ und unsere Ergebnisse aus dem Jahr
2001 sind weiterhin aktuell - die Situation im Teilmarkt TV-Movies
hat sich seitdem eher verschlechtert als verbessert", betont Ernst &
Young Partnerin und Projektleiterin Sonja Moser. Ziel der Studie war
die Überprüfung der These, dass die Kalkulationsvorgaben der Sender
nicht mehr kostendeckend sind und deswegen reine TV-Movie-Produzenten
auf die Dauer nicht überleben können.
Und das sind die Ergebnisse im Einzelnen:
1. Die Senderkalkulationen (mit ihren Positionen
Nettofertigungskosten + Handlungskosten + Gewinnaufschlag = Preis
einer TV-Movie-Produktion) spiegeln die Realität nicht wieder und
enthalten nicht alle anfallenden Kostenarten.
2. Die tatsächlichen Nettofertigungskosten der Produzenten haben im
Durchschnitt die Sendervorgabe um 2,3% überstiegen.
3. Die projektanteiligen Gemeinkosten der Produktionsunternehmen
werden nicht vollständig vergütet - im Durchschnitt liegen die
tatsächlich anfallenden sogenannten Handlungskosten mit 4,7% über den
vergüteten Handlungskosten.
4. Zwar sind in den Sender-Vereinbarungen Zahlungsbedingungen
enthalten, jedoch entstehen dem Produzenten durch davon abweichende
Zahlungsströme zusätzliche Finanzierungskosten - das entsprach im
Mittel 15.000 Euro bzw. 1,1% der durchschnittlich kalkulierten
Nettofertigungskosten pro Produktion.
5. Obwohl die Produzenten immer mehr das unternehmerische Risiko der
Entwicklung von Stoffen und Formaten tragen, sind die
Entwicklungskosten in den Sender-Kalkulationen keine eigenständige
Position - die dadurch bei den 35 untersuchten Produktionen
entstandenen Kosten betrugen im Mittel 31.000 Euro bzw. 2,3% der
durchschnittlich kalkulierten Netto-Fertigungskosten pro Produktion.
6. Die Gesamtzahlungen der Sender für eine TV-Movie-Produktion
reichen gegenwärtig nicht aus, um sämtliche Produktionskosten tragen
zu können. Die Untersuchung zeigt bei Vollkostenbetrachtung im
Durchschnitt ein negatives Ist-Projektergebnis von -9,5%, das nur
dadurch optisch auf -2,0% geschönt werden kann, weil die gesamte, dem
Produzenten garantierte - Gewinnaufschlag genannte - Producers' Fee
von 7,5% zur Kostendeckung verwandt wird.
Die Auftraggeber sehen ihre Befürchtung einer Unterdeckung bei
TV-Movie-Produktionen nicht nur bestätigt, für sie bedeutet das
Ergebnis auch dringenden Handlungsbedarf: "Wer Qualität von den
deutschen Produzenten erwartet, muss diesen auch die notwendigen
Finanzierungsmöglichkeiten - auch für die Entwicklung neuer Produkte
- zur Verfügung stellen. Nur so können deutsche TV-Produktionen
langfristig ihre Erfolge zu Hause und auf den internationalen Märkten
fortsetzen. Die Gespräche mit den Sendern werden fortgesetzt, die
Studie leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung", so
Prof. Dr. Johannes Kreile, geschäftsführender Justiziar des
Bundesverbandes Deutscher Fernsehproduzenten.
Georgia Tornow betonte, dass hier im Grunde auch die Medienpolitik
gefordert sei: "Marktmacht darf nicht zum Preisdiktat werden - jeder
Verdacht in diese Richtung muss schnell ausgeräumt werden!"
Der Kurzbericht der "Untersuchung der Renditen von
TV-Movie-Produktionen" kann heruntergeladen werden bei
www.film20.de
www.tv-produzenten.de
Quelle: Pressemitteilung Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten