Presserat fordert klare Kennzeichnung von Werbung - Schleichwerbung untergräbt Glaubwürdigkeit der Medien
Archivmeldung vom 10.06.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.06.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Presserat appelliert erneut an die Zeitungen und Zeitschriften, Werbung und redaktionellen Teil strikt zu trennen und werbliche Inhalte klar zu kennzeichnen. Dem Leser muss auf den ersten Blick deutlich werden, was er vor sich hat: einen redaktionellen Beitrag oder Werbung. Eine klare Kennzeichnung wahrt die Glaubwürdigkeit der Presse insgesamt. Schleichwerbung untergräbt sie.
Auf seiner jüngsten Sitzung am 6. und 7. Juni in Bonn hatte sich
der Beschwerdeausschuss erneut mit Beschwerden wegen Schleichwerbung
zu befassen. Wegen Verstoßes gegen den Trennungsgrundsatz gerügt
wurde der VERLAG B. KÄMMER. In einem Schreiben an eine PR-Agentur
hatte der Verlag sich erkundigt, ob ein Kunde der Agentur für einen
geplanten Produktauftritt die „Einleitung einer Werbekampagne
‚Print‘“ beabsichtige. Dafür stünden dann die Verlagsmagazine zur
Verfügung. Dazu könne man auch, so der Verlag weiter, „einer
professionellen und wirkungsvollen Berichterstattung den Weg
bereiten“. Dieses Angebot wertete der Ausschuss als Kopplung von
redaktioneller Berichterstattung an einen Anzeigenauftrag. Dies
widerspricht Ziffer 7 des Pressekodex:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit
gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private
oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche
wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten
beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche
ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text
und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.
Für den Leser nicht ohne weiteres als Werbung erkennbar war nach
Ansicht des Ausschusses eine als „Verlagssonderthema“ gekennzeichnete
Veröffentlichung einer Tageszeitung. Sie beschäftigte sich in
redaktioneller Aufmachung mit einem geplanten Wohnkomplex in Citylage
und war bezahlt. Die Zeitung hatte argumentiert, dass der Inhalt der
Seite aufgrund von Gestaltungsmerkmalen wie Layout und Schrift als
bezahlte Veröffentlichung zu erkennen sei. Nach Meinung des
Ausschusses können Leser sie jedoch wegen der Ähnlichkeit zur
Gestaltung des redaktionellen Teils der Zeitung als
journalistisch-redaktionellen Beitrag wahrnehmen. Dem Begriff
„Verlagssonderthema“ mangelt es in diesem Zusammenhang an der
erforderlichen Eindeutigkeit.
Missbilligt wurde auch eine Fotostrecke über Mitarbeiterinnen
eines Elektronikmarktes in einer Publikumszeitschrift. Auf der
Titelseite der Ausgabe wurde die Veröffentlichung unter Verwendung
des Logos des Marktes angekündigt. Das Logo erschien auch in der
Fotostrecke wieder. Daneben wurden auch Werbeslogans des Unternehmens
im Text verwendet. In diesen Angaben sah der Presserat
Schleichwerbung im Sinne der Ziffer 7 Richtlinie 7.2:
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre
Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht
die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung
liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein
begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der
Leser hinausgeht.
Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet
besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material sowie bei der
Abfassung eigener redaktioneller Hinweise durch die Redaktionen.
Dies gilt auch für unredigierte Werbetexte, Werbefotos und
Werbezeichnungen.
Persönlichkeitsrechtsverletzungen - Die HAMBURGER MORGENPOST
erhielt
eine öffentliche Rüge aufgrund eines Verstoßes gegen die Ziffer 8 des
Pressekodex.
Sie hatte die Persönlichkeitsrechte eines Minderjährigen
missachtet. Die Zeitung hatte in zwei Veröffentlichungen über einen
14-Jährigen berichtet, der bei einer Auseinandersetzung in seiner
Schule eine Schusswaffe zog. Als ein Lehrer versuchte, dem Schüler
die Waffe zu entreißen, löste sich ein Schuss. Es wurde niemand
verletzt. Der Lehrer als auch der minderjährige Schüler wurden in
beiden Veröffentlichungen der Zeitung nicht anonymisiert und mit Foto
dargestellt. Ein Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex:
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des
Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche
Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden.
Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung
Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. [...]
Wie sich wenig später herausstellte – und die Zeitung auch
berichtete – wollte der Schüler vermutlich die Waffe gegen sich
selbst richten. Die Darstellung zu dem versuchten Suizid verstößt
damit gegen die Richtlinie 8.5 der Ziffer 8 des Pressekodex.
Gegen Ziffer 8 verstießen auch zwei Veröffentlichungen der BILD-
Zeitung. In beiden Fällen wurde eine nicht-öffentliche Rüge
ausgesprochen, die im Gegensatz zur öffentlichen Rüge aus Rücksicht
auf die betroffenen Personen nicht abgedruckt werden muss. BILD
(Köln) hatte über den Unfall eines Arztehepaares, bei dem die Ehefrau
ums Leben kam, identifizierend mit Namensnennung und
Fotoveröffentlichung berichtet. Es lag nach Meinung des Ausschusses
kein öffentliches Interesse an der identifizierenden
Berichterstattung vor. Der Text war zudem unangemessen sensationell
aufbereitet und verstieß damit gegen die Ziffer 11 des Kodex.
BILD (München) berichtete anhand der Lebenssituation einer Familie
identifizierend über die Auswirkungen von Hartz IV. Dies geschah mit
dem Einverständnis der Ehefrau, aber gegen den Willen des Ehemannes.
Trotzdem wurden sein voller Name und sein Wohnort genannt sowie sein
Foto veröffentlicht. Das hätte nur mit der ausdrücklichen Genehmigung
des Mannes geschehen dürfen. Ein öffentliches Interesse an der
konkreten Identifizierung gab es nicht.
Jugendgefährdung - Die Jugendzeitschrift POPCORN erhielt eine
öffentliche Rüge aufgrund eines Verstoßes gegen die Ziffern 1, 11 und
12 des Pressekodex. Sie hatte in der Januarausgabe über japanische
Sexmangas berichtet und dies mit vielen pornografischen Darstellungen
illustriert. Diese verstießen nach Meinung des Gremiums gegen die
Menschenwürde, waren frauendiskriminierend, gewaltverherrlichend und
dadurch jugendgefährdend. In der gleichen Ausgabe wurde über den
Rapper Sido berichtet. Auch in den Fotos zu diesem Beitrag wurden
Frauen zu bloßen Sexobjekten erniedrigt. Auf den Bildern wurde einer
Frau Gewalt angetan. Die Berichterstattung in beiden Fällen war nach
Meinung des Ausschusses durch die Vermischung von Sexualität und
Gewalt extrem jugendgefährdend.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Presserat