Volker Kutscher: Das Schreiben ist die schlimmste Arbeit
Archivmeldung vom 18.05.2019
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Freigeschaltet durch André OttBestsellerautor Volker Kutscher (56), auf dessen Gereon Rath-Romanen die Filmreihe "Babylon Berlin" basiert, empfindet das Schreiben seiner Bücher gelegentlich als Qual: "Die Recherche macht mir immer sehr viel Spaß, die schlimmste Arbeit ist dann das Schreiben", sagte Kutscher der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
"Es ist sehr anstrengend, und ich bin nie zufrieden", fuhr der 56-Jährige fort. "Die Zufriedenheit stellt sich erst nach und nach ein, wenn ich den Text dann noch einmal - oder zweimal oder dreimal - bearbeitet habe. Schreiben ist immer nur schön, wenn man fertig ist; nicht wenn man mittendrin steckt."
Großen Spaß hat er bei der Recherche für seine Romane, die im Berlin der 20er Jahre spielen: "Ich nutze alles, was ich zwischen die Finger bekomme: Bücher, Fotos, Filme, auch alte Speisekarten, Reiseführer, U-Bahn-Pläne und so weiter. Und wenn die Vorabrecherche abgeschlossen ist und ich weiß, der Roman wird beispielsweise in der Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juni spielen, dann besorge ich mir die Tageszeitungen aus diesem Zeitraum und schau sie mir von der ersten bis zur letzten Seite ganz genau an."
Dabei seien auch die Anzeigen für ihn interessant: "Ich weiß dann, was zu dieser Zeit ein Pfund Butter, ein Paar Schuhe, ein Kleid oder ein Auto gekostet haben. Man bekommt ein sehr gutes Gefühl dafür, was den Leuten damals wichtig war und welche alltäglichen Nachrichten die großen Weltereignisse möglicherweise überlagert haben. Mit der Tageszeitungslektüre beginnt für mich die eigentliche Zeitreise."
Eine tatsächliche Zeitreise in die Zwanziger würde Kutscher allerdings nur unter einer Bedingung unternehmen: "Gäbe es eine Zeitmaschine, würde ich mich reinsetzen, wenn ich wüsste, dass ich auch wieder zurückkehren kann. Es ist ja eines der großen Dramen und die Tragik einer ganzen Generation, dass die Zukunft dieser Zeit eine furchtbare war. Wenn ich mit dem Wissen von heute in die Zwanziger reisen würde, müsste ich ja eine Pistole mitnehmen und Hitler erschießen. Und da weiß ich nicht, ob ich der Richtige dafür wäre."
Immer wieder bekommt der Autor Zuschriften von Lesern, die sich darüber beschweren, dass in seinen Romanen so viel geraucht wird: "Aber ich kann doch nicht mit dem Blick von heute die damalige Welt sehen und beschreiben wollen. Wenn in den frühen Dreißigern eine Frau rauchte, war das ein selbstbewusstes Zeichen von Emanzipation. Und ehrlich gesagt - ich habe vor 16 Jahren mit dem Rauchen aufgehört, und da hat es mir großen Spaß gemacht, Gereon Rath an meiner Stelle rauchen zu lassen."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)