Gesine Cukrowski beklagt "absurde Fernsehrealität"
Archivmeldung vom 29.09.2023
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Freigeschaltet durch Mary SmithGesine Cukrowski (54), Schauspielerin, hadert mit der Programmpolitik von ARD und ZDF: "Sie wollen versuchen, die jungen Leute fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen zu interessieren, verlieren aber durch zu intensives Buhlen um die Jugend die älteren Leute", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Dabei glaube sie grundsätzlich, dass es möglich sei, alle ins Boot zu holen: "Meine Tochter ist jetzt 21 - sie und ihre Freund:innen interessieren sich doch nicht nur für Filme, in denen ausschließlich junge Leute vorkommen. Sie wollen auch Vorbilder haben - ältere Figuren, die angeglichen sind an ihre Lebensrealität. Aber mit diesen klischierten, stereotypen Figuren, die sie im Fernsehen sehen, können sie sich nicht identifizieren. Ihre Mütter, Tanten und Großmütter haben damit nichts zu tun."
Ein Grundproblem sieht die Schauspielerin in vielen Drehbüchern: "Es gibt zum Beispiel Autor:innen, die recherchieren nicht die Realität, sondern ihre Drehbücher beziehen sich auf etwas, das sie in anderen Filmen gesehen haben. Die Fernsehrealität reproduziert sich also oft selbst, das ist völlig absurd. Da muss dann die Böse dünn und blond sein, die Oma dick, lieb und umsorgend und die Erfolgsfrau ein kalter Zinken. Frauen über 50 haben auch keinen Sex mehr - um Gottes willen. Dabei gibt es auch dünne, nette Großmütter, die Sex haben."
Zudem vermisst Cukrowski im deutschen Fernsehen historische Frauenfiguren: "Faszinierend finde ich die Geschichte von Katharina Heinroth, der ersten und bislang einzigen Zoodirektorin in Berlin." Diese habe im Frühjahr 1945, kurz vor Ende des Krieges, einen völlig verwüsteten Zoo mit nur noch 91 von 3000 Tieren übernommen und gerettet.
Sie selbst habe diesen Stoff bereits einem Fernsehsender vorgeschlagen - vergeblich: "Damals wurde mir gesagt, das reiche nicht, es fehle die Liebesgeschichte. Und das ist ein Grundproblem. Der Glaube, dass man Frauenfiguren nur in Kombination mit einem Mann und einer Lovestory erzählen kann. Geht definitiv auch ohne. Auch außerhalb des Krimi-Genres. Und das heißt ja auch nicht, dass es keine Liebesgeschichten mehr geben soll. Es geht um Vielfalt.
In der ZDF-Serie "Hotel Mondial" (neue Folgen ab 4.10. und ab 27.9. in der Mediathek) spielt Cukrowski die Hotelchefin Eva de Vries - eine Rolle, an der sie Gefallen gefunden hat: "Das Schöne an ,Hotel Mondial' ist, dass es sehr divers erzählt ist, das mag ich wahnsinnig gerne. Diversität und queeres Leben kommen in einer sehr selbstverständlichen Form vor, das ist neu. Die Liebesgeschichte der beiden Frauen wird nicht in irgendeiner Weise gewertet, oder erklärt, was ich sehr modern finde."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)