Ein Polit-Fastfood im Ersten: Corona zu Weihnachten, Showman Söder, Ehe zu dritt und Jögi Löw
Archivmeldung vom 26.11.2020
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Freigeschaltet durch Anja SchmittDa muss man schon den „Maischberger“-Talk sehr mögen, um sich eine halbstündige Verschiebung des ohnehin sündhaft späten Sendebeginns gefallen zu lassen, ein vierminütiges Blackout mitten in der Sendung hinzunehmen und im Endeffekt äußerst wenig Neues zu erfahren. Dies schreibt das online Magazin "Sputnik".
Weiter heißt es dazu in einem Bericht von Andrej Iwanowski auf deren deutschen Webseite: "Neu für viele Zuschauer war etwa die Offenbarung der Journalistin und Religionslehrerin Lamya Kaddor, die behauptete, „für fast 40 Prozent“ der Gesellschaft in Deutschland bedeute Weihnachten so wenig, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum ausgerechnet die Weihnachtstage als „Zielperspektive“ der neuen Kontaktbeschränkungen dienen sollen. Damit werde ein „nicht unerheblicher Teil dieser Gesellschaft“ ausgeschlossen.
Da fragt man sich, in was für einer Gesellschaft Deutschland heute wirklich lebt: Gehört Weihnachten bald wirklich abgeschrieben?
Der „Spiegel“-Kolumnist Markus Feldenkirchen nahm zwar das Weihnachtsfest gleich „in Schutz“: Dies sei ein überaus wichtiges „“ – unabhängig von Glaubensbekenntnissen. Ein solcher Ausfall gegen die urdeutschen Traditionen hätte wohl aber eine resolutere Abfuhr verdient.
Corona-Politik „kurzatmig und hilflos“
Nicht neu dagegen war, dass die wenige Stunden vorher beschlossenen Einschränkungen kritisiert wurden. Der frühere „Stern“-Autor Hans-Ulrich Jörges bewertete die Corona-Politik der Bundesregierung als „kurzatmig und hilflos“. Die bisherige Hygiene-Strategie „mit Masken, Abstandhalten und Händewaschen“ funktioniere nicht mehr. Da musste selbst die aus Schwerin zugeschaltete Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, zugeben, eine Planungssicherheit – sprich eine brauchbare Strategie – sei in der gegenwärtigen Situation der Pandemie unmöglich. Fest stehe für sie jedenfalls, dass „wir auch noch im Januar Kontaktbeschränkungen brauchen“.
Die Behauptung der Moderatorin, momentan herrsche ein „föderales Durcheinander“ in Sachen Einschränkungen, wies Schwesig allerdings zurück:
„Das ist kein föderales Durcheinander“, entgegnete sie. Es sei berechtigt, dass ein jedes Bundesland „vor Ort die geeigneten Maßnahmen trifft“.
Wie „geeignet“ dabei die Maßnahmen in ihrem Bundesland sind, wo die Inzidenzzahlen weit unter 50 pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen liegen, konnte Schwesig allerdings nicht begründen: Wieso mussten etwa die Gastronomen und Kinosbetreiber in Mecklenburg-Vorpommern genauso schließen wie die in einem anderen Bundesland mit einer Inzidenzzahl über 200?
Maskenpflicht am Parkplatz und „Schauspieler“ Söder
Leider war die „Maischberger“-Runde bei der Kritik an den neuen Maßnahmen zu unkonkret und zu unsachlich – diese Maßnahmen hätten in der Tat eine viel gründlichere und Analyse verdient. Wo kommt etwa die neueste Anweisung her, auch auf den Parkplätzen eine Maske zu tragen? Wie wurden die neuen Quadratmeter-Sanitärnormen für den Handel berechnet? Und was bedeuten die neuen Regelungen für das Silvester-Böllern konkret? Im „Maischberger“-Format ist dies aber kaum möglich, soweit es mit der wachsenden Zahl von Gästen und einem ständigen Themenwechsel immer mehr zu einem Infotainment-„Fastfood“ tendiert.
Zwischendurch kamen allerdings sehr wohl ein paar kritische Ausfälle in Richtung „Ministerpräsidenten-Konferenz bei der Kanzlerin“, die in den Zeiten der Pandemie – ziemlich deutlich am Grundgesetz vorbei – das Regiment im Lande führt. Jörges meinte etwa, dass die Souveränität der Teilnehmer dieses Gremiums „gespielt“ sei, was auch die in vieler Hinsicht widersprüchlichen Beschlüsse dieser Runde verraten würden. Feldenkirchen fand auch „im Stil“ dieses Gremiums „manches zu kritisieren“, etwa die Auftritte von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der diese „als Schauspieler geradezu genießt“ und „von der Performance her sehr geschickt macht, weil er früh gemerkt hat, dass es eine Mehrheit für klare Ansagen“ gebe.
„Nährboden für Fascho-PR“
Richtig politisch wurde es aber kurz vor dem Ende: Ausgerechnet der Rapper Smudo („Die Fantastischen Vier“) musste eingeladen werden, um die gegenwärtigen politischen Kontroversen in Deutschland um die Corona-Maßnahmen zu kommentieren. Der Künstler sagte, er habe schon „Verständnis“ für den um ihn herum „sektenartig“ wachsenden Kreis von „Corona-Leugnern“; Angst habe er aber davor, wie „gezielt und aggressiv“ dieser „Nährboden“ „von der Fascho-PR beackert wird“.
Vorher kam aber eine rund vierminütige Störung im Ersten, was an und für sich für den wichtigsten TV-Sender des mächtigsten Staates Europas skandalös ist und so manche Zuschauer zur späten Stunde auf panische Gedanken gebracht haben dürfte. Zum Glück lief es dann weiter – damit Sandra Maischberger im Eilverfahren kurz vor knapp noch möglichst viele Themen abhaken konnte.
Der „Spiegel“-Autor Feldenkirchen durfte sich dann über „peinlich dreiste historische Vergleiche und grassierenden Geschichtsrevisionismus in Deutschland ärgern“, wie auch über „den Versuch rechter Strategen und Vordenker“, „die deutsche Geschichte für ihre Propaganda-Zwecke umzudeuten“. Vor allem am Beispiel von „Jana aus Kassel“ – eine 22-jährige Frau, die sich vor den Anti-Corona-Protestlern mit Nazi-Widerstandskämpferin und von Hitler-Schergen geköpften Sophie Scholl verglich.
Hans-Ulrich Jörges echauffierte sich darüber, wie sich Robert Habeck und Annalena Baerbock beim jüngsten digitalen Parteitag der Grünen in einer Art „spießerischem Prenzlauer Berg-Wohnzimmer“ präsentiert hatten, was nach seiner Ansicht in krassem Widerspruch zur Kultur und zum Image der Partei stehe, zugleich aber die eigentliche Absicht der heutigen Grünen verrate, „nach den nächsten Bundestagswahlen mit der Union koalieren zu können“.
„Mir erscheint die jetzige Koalition ohnehin wie eine Ehe zu dritt: Da schlüpfen die Grünen dauernd mit ins Bett und werfen sich der Union an den Hals“, äußerte der Journalist.
Und für die Duisburger Religionslehrerin Lamya Kaddor war es Jögi Löw, der sie in der vergangenen Woche am stärksten geärgert hat. Nun ja, da ist sie bei Gott nicht die Einzige. "
Quelle: Sputnik (Deutschland)