Markus Lanz: "Verrückt, die Kanzlerin weiß, wer ich bin"
Archivmeldung vom 25.09.2020
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Freigeschaltet durch André OttObwohl seine Talk-Sendung seit 2008 im ZDF läuft, ist Markus Lanz immer noch überrascht, wenn hochrangige Politiker Kontakt mit ihm aufnehmen. Es kitzle die Eitelkeit, wenn Jens Spahn anrufe, sagt der Moderator im Titelinterview mit DB MOBIL (Ausgabe Oktober, EVT 25.9.2020).
Vor kurzem habe ihn Angela Merkel auf einer Veranstaltung von Entwicklungsminister Gerd Müller erkannt. "Dort kam die Kanzlerin auf mich zu und hat mich mit Namen begrüßt. Da habe ich gedacht, ist ja völlig verrückt, sie weiß, wer ich bin! Dabei komme ich doch von der Alm."
DB MOBIL begleitete Lanz fast ein halbes Jahr lang, während Politiker und Wissenschaftler in seiner Talk-Sendung mehrmals pro Woche die Corona-Krise aufarbeiteten. "Unsere Sendung ist eine andere geworden", sagt der 51-Jährige. Normalerweise sitzen rund 120 Zuschauer in seinem Studio - seit März moderiert der Südtiroler vor leeren Stühlen. "Die Sendung ist inzwischen eher wie ein Kammerspiel. Die Gäste sind noch konzentrierter, unaufgeregter. Und sie geraten nicht in Versuchung, den einen oder anderen populistischen Ausfallschritt zu machen. Denn dann klatscht jetzt keiner mehr", so Lanz. Das Bemühen um das gute Argument sei noch stärker geworden. "Das ist im Übrigen auch der Eindruck vieler Zuschauer, die uns schreiben. Die vermissen gar nichts."
In seiner Wahlheimat Hamburg beobachtet Lanz, wie die Angst vor Corona den Alltag verändert: "Plötzlich ist der andere, dem ich auf der Straße begegne, nicht mehr mein Freund, sondern eine mögliche Bedrohung." Doch man könne viel von der Gelassenheit der älteren Generation lernen, sagt Lanz - obwohl er sich um seine 86-jährige Mutter sorgt: "Ich habe Angst, dass mit ihr etwas ist, und ich im entscheidenden Moment nicht bei ihr sein kann."
Im Gespräch mit dem Magazin der Deutschen Bahn appelliert Lanz für mehr Verständnis für Virologen, die von ihrer neuen Rolle und dem Druck, der auf ihnen laste, überrumpelt gewesen seien: "Wir verlangen von Virologen eine Orakel-Kompetenz, die ultimative Wahrheit. Das Problem ist: Die gibt es nicht, weil wir jeden Tag Neues über dieses Virus dazulernen. Das hat viele Leute enttäuscht und wütend gemacht. Dabei sollten wir alle froh sein, dass wir diese Experten haben."
Die Rolle Deutschlands während dieser Zeit sei nicht zu unterschätzen, sagt Lanz:. "Als jemand, der vor mehr als 25 Jahren in dieses Land gekommen ist, habe ich immer geahnt, was für eine Power Deutschland hat. Und jetzt in der Krise hautnah zu erleben, was da für eine Kraft drinsteckt, macht mich auch ein bisschen stolz."
Es sei ein Fehler gewesen, so sagt Lanz im Interview, dass er 2012 die ZDF-Samstagabendsendung "Wetten, dass..." übernahm. "Ich habe mich da ein bisschen drängen lassen. Und vermutlich war ich auch eitel." Das damalige Scheitern sei der größte Tiefschlag seiner Karriere gewesen: "Ich habe lange gebraucht, um das zu verwinden", sagt er. Dennoch habe er sich durchgebissen, weitergemacht und aus dieser Niederlage viel gelernt. Geholfen habe ihm seine "Südtiroler Erdung". "Ich dachte immer: Die Dolomiten standen vorher schon da, sie stehen währenddessen da, und sie werden auch danach noch stehen."
Lanz wurde in Bruneck, einem kleinen Ort in Südtirol, geboren, ging 1991 nach Deutschland und lebt heute in Hamburg. Als Wandelnder zwischen italienischer und deutscher Lebenswelt habe er gelernt: "Integration ist auch eine Bringschuld."
Seit Jahren erstellt der passionierte Fotograf Lanz backstage Porträts von vielen seiner Gäste. In der Oktober-Ausgabe von DB MOBIL ist erstmals eine Auswahl davon zu sehen. Die Schwarz-Weiß-Fotos zeigen unter anderem Michelle Hunziker, Felix Jaehn, Wolfgang Joop und Mario Basler.
Quelle: DB MOBIL (ots)