Bestseller "Feuerherz" vor Gericht - Strafbefehl gegen angebliche Kindersoldatin Senait Mehari
Archivmeldung vom 30.01.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach Recherchen des NDR-Medienmagazins "Zapp" müssen sich jetzt gleich mehrere Gerichte mit dem Wahrheitsgehalt des Bestsellers "Feuerherz" beschäftigen. In dem laut Verlag Droemer-Knaur alleine in Deutschland 450.000 Mal verkauften Buch schildert die Sängerin Senait Mehari ihre Kindheit als angebliche Kindersoldatin während des Krieges zwischen Eritrea und Äthiopien.
Das Buch über Meharis Leben inspirierte Luigi Falornis Film "Feuerherz", der als deutscher Beitrag im Wettbewerb der Berlinale läuft, die am 7. Februar beginnt. ("Zapp": Mittwoch, 30. Januar, um 23.00 Uhr im NDR Fernsehen.)
Im Auftrag mehrerer Eritreer hat jetzt eine Frankfurter Anwältin Klage beim Hamburger Landgericht eingereicht. In der Klageschrift, die "Zapp" vorliegt, werden von Senait Mehari und dem Verlag ihrer Biografie, Droemer-Knaur, zahlreiche Widerrufe und Unterlassungen verlangt. Zusätzlich wird eine Geldentschädigung gefordert. Die Kläger wehren sich gegen Meharis Darstellung, die gemeinsam besuchte Schule in einem Lager der eritreischen Rebellenorganisation ELF sei ein militärisches Ausbildungscamp für Kindersoldaten gewesen.
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat nach "Zapp"-Recherchen bereits einen Strafbefehl gegen Senait Mehari erlassen. Wegen übler Nachrede soll die Sängerin 9000 Euro zahlen. Senait Mehari hatte sowohl in ihrem Buch "Feuerherz" als auch in Interviews unter anderem in "Zapp" über eine namentlich benannte Mitschülerin behauptet, sie sei eine "brutale Kommandantin" gewesen, quasi eine menschenverachtende Mörderin und Soldatin. Die Berliner Staatsanwaltschaft kam nach zahlreichen Zeugenbefragungen zu der Überzeugung, dass diese Behauptung durch nichts belegt sei. Senait Mehari habe trotz Aufforderung keine Zeugen für ihre "herabwürdigenden" Äußerungen benennen können. Sie hat nach "Zapp"-Recherchen zwischenzeitlich Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, so dass es auch hier zu einer Gerichtsverhandlung kommen wird.
Nach "Zapp"-Recherchen gingen diesen juristischen Auseinandersetzungen monatelange Verhandlungen zwischen der Autorin Senait Mehari, ihrem Verlag Droemer-Knaur und den jetzigen Klägern voraus. Der Verlag bot immer wieder Geldzahlungen an. Auch Namensänderungen wurden angeboten - alles vergebens. Den Klägern gehe es nicht um Geld, erklärte ihre Anwältin gegenüber "Zapp". Vielmehr wollten sie, dass Senait Mehari ihre "unwahre Geschichte" nicht länger aufrecht erhalte. Sie wollten jetzt nicht weiter tatenlos zusehen, wie Senait Mehari ihre gemeinsame Kindheit als "frei erfundene Kindersoldatin" vermarkte. Auch gegen die Verfilmung des Buches werde man juristisch vorgehen, sobald der genaue Inhalt bekannt sei. Die Produzenten dieses Kinofilmes, der als deutscher Wettbewerbsbeitrag auf der Berlinale seine Premiere feiert, wollten sich gegenüber "Zapp" weder zum Inhalt noch zu den Vorwürfen äußern.
Senait Mehari hatte bereits vor einem Jahr gegenüber "Zapp" ihre Lebensgeschichte relativiert. Das NDR-Medienmagazin hatte sie zuvor mit seinen Recherchen konfrontiert, nach denen wesentliche Teile ihrer Biografie falsch seien. Ihre Bezeichnung als "Kindersoldatin" sowohl im Buch als auch in zahlreichen Medienauftritten erklärte sie damals im "Zapp"-Interview als "Erfindung der Medien". Die damaligen "Zapp"-Recherchen lösten ein umfangreiches Medienecho aus. Die vom "Feuerherz"-Verlag Droemer-Knaur in einer Presseerklärung angekündigte und in vielen Zeitungen vermeldete Klage gegen "Zapp" wurde niemals eingereicht. Stattdessen wurde mit mehreren Millionen Euro öffentlicher Gelder der Film "Feuerherz" produziert.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk