Loveparade: Presserat rügt Eingriff in die Privatsphäre Ergebnisse aus dem Beschwerdeausschuss
Archivmeldung vom 15.09.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.09.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDem Beschwerdeausschuss 1 des Deutschen Presserats lagen bei seiner gestrigen Sitzung 241 Beschwerden zur Berichterstattung über die Massenpanik mit 21 Toten bei der Loveparade 2010 in Duisburg vor. Dabei ging es vor allem um zwei Themenkomplexe: die Darstellung der Massenpanik in Fotostrecken und Videos sowie die Darstellung der Opfer der Loveparade in Fotos, Geschichten und Videos.
Diese Beschwerden wurden zu 13 Sammelbeschwerden zusammengefasst, so dass insgesamt 13 Ergebnisse dazu vorliegen: Der Presserat sprach eine öffentliche Rüge sowie fünf Missbilligungen und drei Hinweise aus. Vier Beschwerden waren unbegründet.
Fotos dokumentieren tragische Umstände
Allein 179 Beschwerden erhielt der Presserat zu einer Fotostrecke, auf der viele Momente der Massenpanik zu sehen waren. Die meisten Beschwerdeführer monierten, dass die Darstellung einzelner Menschen, die dort in ihrem Leid dargestellt wurden, unangemessen sensationell sei. Auch die Fotos abgedeckter Leichen wurden moniert. Bis auf ein Foto wurden diese Beschwerden jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Die Darstellungen waren fast ausnahmslos Szenenfotos, die die tragischen Vorgänge verdeutlichten. Die Ausschussmitglieder stellten klar, dass auch Fotos von abgedeckten Leichen durchaus gezeigt werden dürfen, wenn dieses nicht in unangemessen sensationeller Darstellung geschieht und die Opfer und Hinterbliebenen nicht erneut zu Opfern werden. In den meisten Fotos der Bilderstrecke waren Szenen der Massenpanik, der Rettungsmaßnahmen und auch einige abgedeckte Leichen zu sehen, ohne unangemessen sensationell die Menschen zu bloßen Objekten herabzuwürdigen. Manfred Protze, Vorsitzender des Beschwerdeausschuss 1, erläutert: "Dass viele Menschen diese Fotos unerträglich finden, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass ein solches Ereignis von hohem öffentlichen Interesse ist. Dabei dürfen Journalisten auch Situationen zeigen, die die furchtbare Realität dokumentieren."
BILD-Online erhielt eine öffentliche Rüge für die Darstellung eines Einzelschicksals, in der die Redaktion ein ungepixeltes Foto eines Opfers veröffentlichte und dazu Details der Todesumstände beschrieb. So wurde unter anderem durch einen Arzt beschrieben, wie das Opfer starb. Dies verstößt gegen die Ziffern 8 und 11, insbesondere Richtlinie 11.1 des Pressekodex:
Ziffer 11 Richtlinie 11.1:
Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird. [...]
Persönlichkeitsrechte nicht beachtet
In verschiedenen Zeitungen und Online-Portalen von Zeitungen wurden die Opfer mit Foto dargestellt. Dazu kamen im Einzelfall Vorname, abgekürzter Nachname, das Alter, der Wohnort sowie weitere Details aus dem Leben wie Hobbies, Beruf etc. Dies verstößt gegen die Privatsphäre der Opfer die nach Ziffer 8 geschützt wird. Richtlinie 8.1 führt näher dazu aus:
Ziffer 8 Richtlinie 8.1:
(1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle [...] veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.
(2) Opfer von Unglücksfällen oder von Straftaten haben Anspruch auf besonderen Schutz ihres Namens. Für das Verständnis des Unfallgeschehens bzw. des Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Ausnahmen können bei Personen der Zeitgeschichte oder bei besonderen Begleitumständen gerechtfertigt sein.
Drei Hinweise wurden in den Fällen ausgesprochen, in denen die ungepixelten Fotos der Opfer mit Vorname und abgekürztem Nachnamen versehen waren. Wurden weitere Details, wie Einzelheiten über die Lebensumstände, veröffentlicht, so wurde eine Missbilligung ausgesprochen. An diesen privaten Details bestand kein öffentliches Interesse. Dies geschah in vier Fällen.
Der Beschwerdeausschuss hat sich in diesem Zusammenhang nicht zu den Quellen der Opferfotos geäußert. Er ging allerdings - von einer Ausnahme abgesehen - davon aus, dass sie ohne Einwilligung der Hinterbliebenen veröffentlich worden sind. Das ist grundsätzlich unzulässig. Die Frage, ob sie eventuell aus sozialen Netzwerken wie Facebook stammen könnten, klärte der Ausschuss nicht. Hierüber hatten die Zeitungen keine Informationen gegeben. Der Presserat wird sich mit dieser Thematik jedoch zeitnah befassen, da er es als bedenklich einstuft, wenn Journalisten hier für ihre Beiträge recherchieren und sich der dort gespeicherten Fotos bedienen.
Quelle: Deutscher Presserat