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ARD: Der VPRT will die Zukunft des Radios verzocken

Archivmeldung vom 16.06.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.06.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Mit Befremden hat die ARD auf ein Interview des Vizepräsidenten des Privatfunkverbandes VPRT, Hans-Dieter Hillmoth, reagiert, der der Einführung von DABplus eine Absage erteilt hat. Hillmoth hatte gestern in einem Interview mit dem "Kontakter" erklärt, er gehe davon aus, dass sich der VPRT bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 25. Juni gegen einen Neustart des digital-terrestrischen Hörfunks aussprechen werde.

"Mit einer Absage an DABplus würde der VPRT die Zukunft des Radios verzocken" sagte Bernhard Hermann, der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission nach der ARD-Sitzung in Bremen. Diese Haltung sei aus Sicht des VPRT sogar nachvollziehbar, aber zu kurz gedacht, weil sie die Mediennutzungsbedürfnisse junger Menschen ignoriere, so Hermann weiter: "Die kommerziellen Radioveranstalter verdienen seit Jahren gutes Geld. Das wollen sie nicht gefährden, denn der Einstieg in digitales Radio würde Investitionen erfordern. Dies würde dann natürlich den Gewinn der Gesellschafter schmälern."

"Im übrigen ist die Einschätzung von Hillmoth nicht richtig, dass es keine vernünftigen Geschäftsmodelle gibt" so ARD-Vorsitzender Peter Boudgoust. Die ARD habe Konzepte für digitales Radio entwickelt, die den Erwartungen an individuelle, multimediale und der jeweiligen Alltagssituation angepasste Nutzung entsprechen und neben dem Live-Radio, quasi ein Radio "on demand" beinhalten. "Diese Konzepte, die sehr wohl Spielraum für eine kommerzielle Nutzung beinhalten, hat die ARD dem VPRT vorgestellt und eine Zusammenarbeit angeboten", erläuterte Boudgoust.

Für die ARD gehe es jetzt darum, diese Konzepte in der Praxis zu überprüfen, erklärte Bernhard Hermann. Deshalb habe sie bei der KEF beantragt, die in die heutige Gebühr bereits eingerechneten 30 Millionen Euro frei zu geben. Der VPRT wolle die Freigabe dieser Mittel offenbar verhindern und bezeichne die Digitalradioversuche als eine Art Marktbesetzung. Hermann: "Dies ist reine Interessenpolitik, bei der kurzfristiger Shareholder Value vor der Zukunftssicherung des Radios kommt."

Die Rechnung der Privaten, auf die weitere Ausschöpfung von UKW zu setzen, geht nach Einschätzung der ARD nur solange auf, wie die Masse der Bevölkerung weiter mit dem gewohnten analogen UKW-Radio zufrieden sei. Die nachwachsende Generation, die durch ein multimedial ausgerichtetes Medienverhalten geprägt ist, erwartet aber mehr: Radio wie sie wollen, wann sie wollen und wo  sie wollen. Ein Radioprogramm, das auch in zehn Jahren erfolgreich sein will, muss sich an diesen Erwartungen orientieren und digitale Wege nutzen, die die Verbreitung von Zusatzdiensten erlauben.

Zwar ist die von Hillmoth präferierte Verbreitung über das Internet eine wichtige Ergänzung aber keineswegs eine Alternative zu einem eigenständigen digital-terrestrischen Verbreitungsweg: In vielen Gebieten ist die Nutzung des Internets als Verbreitungsweg für Radioprogramme noch sehr unkomfortabel, und sie ist zudem kostenintensiv. Jeder Sender müsse für jeden einzelnen Hörer oder Nutzer, der im Internet Radio hört, bezahlen - ebenso wie der Nutzer selbst. Mobiles Internet in ganz Deutschland - mit der Qualität wie sie UKW heute für Radio bietet - ist noch lange nicht in Sicht. Ein digital-terrestrischer Verbreitungsweg würde genau dieses bieten: zuverlässigen Empfang zu Hause und unterwegs, auf dem Küchenradio und der Stereoanlage, im Auto und auf dem Handy, zudem flächendeckend und regional differenziert in Deutschland und grenzüberschreitend frei empfangbar.

Auch dürfe das Scheitern von "DAB-alt" nicht länger als Gegenargument für die Zukunftsfähigkeit von DABplus angeführt werden, betont Hermann. Die Situation habe sich grundlegend geändert. Jetzt gebe es ausreichend Frequenzkapazität mit hoher Sendeleistung, die Endgeräte seien inzwischen technisch so leistungsfähig, dass sie Mehrwert-Dienste auch darstellen könnten. Ein weiterer Vorteil von DABplus sei, dass sich die in UKW existierende Radiolandschaft fast identisch abbilden ließe, was die regionale Struktur, den restriktionsfreien Netzzugang und die leichte Auffindbarkeit der Programme in einem geschlossenen Markt der Radioanbieter betreffe.

In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, über den Tellerrand der deutschen Entwicklungen herauszuschauen. Es gibt eine gesamteuropäische Entwicklung zur Digitalisierung von Radio, die sich mit unterschiedlichen Ausprägungen der "DAB-Systemfamilie" befasst. In Großbritannien, in Dänemark und der Schweiz ist DAB bereits erfolgreich im Markt etabliert. In Frankreich muss ab 2012 jedes verkaufte Radio Digitalradio empfangen können. Auch in Deutschland stellt sich die Geräteindustrie gerade auf diese veränderte Situation ein, und sie wartet auf ein klares Signal aus Richtung der Hörfunkbetreiber. Ein Verzicht auf Digitalradio, so Hermann, würde bedeuten, sich von einer europäischen Entwicklung abzukoppeln und darauf keinen Einfluss mehr nehmen zu können.

VPRT: Digitalradio-Versuche' der ARD-Anstalten: Zocken auf Kosten der Gebührenzahler

Die ARD-Hörfunkkommission titelt ihre Pressemeldung heute: "Der VPRT will die Zukunft des Radios verzocken" und reagiert mit "Befremden" darauf, dass der VPRT der Einführung von DABplus äußerst kritisch gegenüber steht und unterstellt dem Verband, den kurzfristigen Shareholder Value vor die Zukunftssicherung des Radios zu stellen. Der Vorsitzende des Fachbereichsvorstandes Radio und Audiodienste im VPRT, Hans-Dieter Hillmoth, erwiderte dazu heute: "Die kritische Position des VPRT zu DABplus ist sowohl mit Blick auf die mangelnde Marktfähigkeit des Systems als auch mit Blick auf die fehlenden Refinanzierungsmöglichkeiten ausführlich begründet und getragen von dem Interesse, die Überlebensfähigkeit des privaten Radios auch in der digitalen Welt zu sichern. Wir investieren in eine Vielzahl digitaler Projekte und zwar auch und gerade da, wo die jungen Hörer sind - aber wir müssen das Geld auch wieder aus dem Markt zurückverdienen." Dass die gebührenfinanzierten Anstalten keinerlei Verständnis für die Notwendigkeit der Refinanzierung von Investitionen aufbrächten sei verständlich vor dem Hintergrund der jahrzehntelang geübten Praxis, dass ein Mehrbedarf an Geld bei der ARD schlicht bei der nächsten Gebührenrunde auf die Schultern der Gebührenzahler abgewälzt werde. "Unglaublich", so Hillmoth' "wie unbefangen die ARD die enorme Summe von 30 Millionen Euro in 'Digitalradio-Versuche' stecken will, wo doch ihre Konzepte mit Blick auf die Zukunftstauglichkeit des Systems weder den VPRT und nicht einmal die KEF überzeugt haben. Um in der polemischen Sprache der ARD-Meldung zu bleiben: hier soll das Geld der Gebührenzahler verzockt werden."

Gerne trete der VPRT mit der ARD in eine sachliche Diskussion zu den Argumenten für und gegen DABplus ein. Allerdings erwarte der Verband, dass sich die Anstaltskollegen dann auch umfassend über die tatsächliche und aktuelle Lage im deutschen Markt und in Nachbarstaaten informierten. Die Pressemeldung weise hier auf Nachholbedarf hin. So gebe es keine fast identische Abbildung der UKW-Landschaft via Digitalradio. "Lokale und regionale Strukturen via DABplus sind nur in völlig veränderten Verbreitungsgebieten und bei einem gefüllten Multiplex möglich - und damit äußerst schwierig zu refinanzieren", so Hillmoth. Die Erfolgsmeldungen aus dem Ausland seien auch nicht vorhanden. Im Gegenteil - in Großbritannien breche derzeit der Radiomarkt zusammen und außer der gebührenfinanzierten BBC habe kein privater Radioanbieter eine realistische Überlebenschance in DAB. In der Schweiz sei DAB in "Wartestellung" und in Dänemark könnten nur rd. 750.000 Menschen 18 DAB-Programme empfangen. Solchen Beispielen wolle das private Radio nicht folgen.

Quelle: ARD / VPRT

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