Letzte Rügen zu den Schleichwerbungsfällen bei SAT 1
Archivmeldung vom 21.02.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.02.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSechs Rügen und einen Freispruch verkündete heute der Deutsche Rat für Public Relations nach seiner letzten Aufarbeitung der Schleichwerbungsvorfälle in SAT 1. Dabei wurde erneut dreimal die vermittelnde PR-Agentur Connect-TV gerügt. Ihre Kunden waren die WWK Lebensversicherung a.G., MCM Klosterfrau Vertriebsgesellschaft für pharmazeutische und kosmetische Produkte und die W. Spitzner Arzneimittelfabrik GmbH.
Freigesprochen wurde der AOK-Bundesverband, da es sich bei seinen
Finanzbeiträgen für die "Tipps vom Morning Doc" bei SAT 1 um
Sponsoringaufträge handelte, worauf am Anfang und Ende der Sendungen
hingewiesen wurde. Diese Sendungen wurden nicht von Connect-TV
vermittelt; sie enthielten auch keine Hinweise auf den Sponsor.
Im einzelnen ergingen folgende Ratssprüche:
Rügen gegen die WWK Lebensversicherung a.G. und gegen Connect-TV
Unter dem Titel "20.000 Euro für einen Experten-Auftritt"
berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) am 14.10.2005 über "die
Finanzbranche und ihre Schleichwerbung im Fernsehen". Unter anderem
wird in dem Artikel die WWK Lebensversicherung a. G. mit Sitz in
München genannt. Bis 2005 soll die WWK für bis zu vier Beiträge pro
Quartal jeweils 20.000 EUR pro Beitrag an den Vermittler Connect-TV
gezahlt haben.
Die WWK nimmt auf Anfrage des DRPR zu dem Fall Stellung. Die
Leiterin der WWK-Öffentlichkeitsarbeit Ursula Schwarz betont, "über
die Firma Connect-TV ausschließlich die Zweitverwertungsrechte an dem
Filmmaterial für interne Zwecke erworben" zu haben. Die Berichte
selbst seien "aufgrund guter Kontakte, die sich die WWK aufgrund
proaktiver Pressearbeit mit SAT.1 erarbeitet hat", entstanden. Auf
weitere detaillierte Fragen des DRPR geht Frau Schwarz in Ihrer
Antwort an den Rat nicht ein.
Das Urteil
Der DRPR geht davon aus, dass die seitens WWK gezahlten Beträge in
weit überwiegendem Maße für die getarnte Platzierung ihrer Themen und
Experten gezahlt wurden und damit der Tatbestand unzulässiger
Schleichwerbung gegeben ist.
Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der
Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die
Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art.
4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und
Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare
Werbemaßnahmen.
Der DRPR spricht gegen den AWD wegen der nicht transparenten
Platzierungen von Themen und Experten auf SAT.1 eine offizielle Rüge
aus.
Die vermittelnde Agentur Connect-TV hatte die beraterische
Verantwortung. Ihr Verhalten rügt der Rat daher ebenfalls
ausdrücklich.
Die Urteilsbegründung
Da das Geld für den Rechteerwerb ausschließlich für Sendungen mit
Beteiligung von WWK-Experten gezahlt wurde, geht der Rat davon aus,
dass beiden Vorgängen, nämlich der Bereitstellung von inhaltlichen
und personellen Ressourcen einerseits sowie dem Erwerb der
Zweitverwertungsrechte andererseits ein gemeinsamer Geschäftswille
zugrunde lag. Beide Vorgänge waren kausal miteinander verknüpft. Ein
Vorgang hätte ohne den jeweils anderen nicht stattgefunden.
Mit den genannten Summen von 20.000 EUR pro Beitrag für bis zu
vier Beiträge pro Quartal hat die WWK erhebliche Mittel aufgewendet.
Dass dieses Geld ausschließlich für interne Zweitverwertungsrechte
ausgegeben wurde, ist für den Rat nicht glaubwürdig.
Gegenüber der Süddeutschen Zeitung hatte Frau Schwarz vor dem
Hintergrund der öffentlich gewordenen Schleichwerbefälle im Fernsehen
bereits selbst den Zweifel geäußert, "ob solche Kooperationen
'aktuell noch machbar' seien."
Der Sender SAT.1 ist für sein Fehlverhalten öffentlich bestraft
worden. Alleine kann er aber nicht schuldig gewesen sein. Die WWK und
die übrigen Geschäftspartner des Senders wurden spätestens mit dem
Urteil der Landeszentrale für Medien und Kommunikation
Rheinland-Pfalz (LMK) darüber informiert, dass die fraglichen
Geschäftspraktiken mit SAT.1 unzulässig waren. Die WWK hätte sich
nachträglich davon distanzieren können.
Auf den o. g. Artikel in der Süddeutschen Zeitung hat die WWK
nicht reagiert. Wären die Vorwürfe in dem Beitrag unhaltbar, hätte
der AWD der Redaktion zumindest seine Sicht der Vorgänge mitteilen,
wenn nicht sogar auf eine Korrektur drängen können.
Bezüglich der in Locarno residierenden, bis 2003 aber vornehmlich
in Deutschland tätigen Connect TV verweist der PR-Rat auf sein Urteil
vom 18.12.06. Zum Zeitpunkt der Platzierungen stand diese Agentur
unter der Leitung der deutschen Staatsbürger Wolfgang Overthun und
Hans-Joachim Müller und der Österreicherin Michaela Wölfler.
Rügen gegen MCM Klosterfrau Vertriebsgesellschaft für
pharmazeutische und kosmetische Produkte und gegen Connect-TV
Unter dem Titel "Die Tessin-Connection" berichtete die Süddeutsche
Zeitung (SZ) am 28.9.2005 über 17 Fernsehbeiträge, die die PR-Agentur
Connect -TV gemeinsam mit MCM Klosterfrau, einer
Vertriebsgesellschaft für pharmazeutische und kosmetische
Produkte,gestaltete. Pro Beitrag wurden rund 20.000 EUR an Connect-TV
gezahlt, die davon jeweils 50 % als Gegenleistung für die
Ausstrahlung an den Sender SAT.1 weiterreichte.
Die Geschäftsführung des Hauses Klosterfrau gab auf Nachfrage des
Rates an, Zahlungen für den Erwerb der Nutzungsrechte an
Fernsehbeiträgen gezahlt zu haben. Einen konkreten Einfluss auf die
Sendebeiträge sei nicht genommen. Die Firma habe nur bei Rückfragen
der SAT.1-Redakteure detailliertere Kommentare zu ihren eingesandten
Presseunterlagen gegeben. Auch habe die Firma bis zum Zeitpunkt der
Ratsrecherche angenommen, dass die "Zweitverwertungsrechte" bei
Connect-TV lagen.
Das Urteil
Der DRPR sieht hier den Tatbestand unzulässiger Schleichwerbung
als gegeben an.
Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der
Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die
Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art.
4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und
Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare
Werbemaßnahmen.
Der DRPR spricht gegen die MCM Klosterfrau Vertriebsgesellschaft
mbH wegen der nicht transparenten Platzierungen firmenbezogener
Themen auf SAT.1 eine offizielle Rüge aus.
Die vermittelnde Agentur Connect-TV hat im vorliegenden Fall die
erkennbare Unerfahrenheit des Hauses Klosterfrau im Umgang mit
TV-Verwertungsrechten ausgenutzt. Sie trifft hier eine besondere
Schuld. Ihr Verhalten rügt der Rat daher mit Nachdruck.
Die Urteilsbegründung
In dem oben angeführten SZ-Artikel vom 28.9.05. wird aus
Rechnungen von Connect-TV an Klosterfrau, die der SZ-Redaktion
vorliegen, zitiert: "Rechnung: über Leistung TV-Projekt SAT.1, Thema
Erkältung / Nasik". Die Geschäftsmodelle des TV-Vermittlers
Connect-TV mit seinen Partnern glichen sich bis hin zum Honorar pro
Einzelsendung. Sie wurden im Bericht der Landeszentrale für Medien
und Kommunikation Rheinland Pfalz vom 21.12.2005 detailliert
beschrieben: Die Beiträge "durften redaktionell nicht weiter
bearbeitet werden und die Sendetermine für ihre Ausstrahlung wurden
ebenfalls von den Agenturen vorgegeben." SAT-1 erhielt wie von den
anderen Geschäftspartnern der Connect-TV nachweisbar annähernd 50%
der Honorare des Hauses Klosterfrau (einmal allerdings nur 20.000 EUR
von gezahlten 45.000 EUR).
Bemerkenswert ist die Auskunft der Firma im Hinblick auf die
erworbenen, aber offensichtlich keineswegs ausgenutzten
Zweitverwertungsrechte: Sie seien intern umstritten gewesen. Es
schien völlig offen gewesen zu sein, "ob derartige Beiträge für
Außen- und Innendienstmotivation, Messe-Darstellungen etc als
sinnvolle Maßnahmen angesehen werden können." Für den PR-Rat folgt
daraus, dass der Erwerb dieser Rechte kein primäres Anliegen der
Firma bei der Kooperation mit dem TV-Sender war. Er vermutet, dass
dies in den anderen von ihm gerügten Fällen nicht viel anders war.
Der Sender SAT.1 ist für sein Fehlverhalten öffentlich bestraft
worden. Alleine kann er aber nicht schuldig gewesen sein. Auch die
mit ihm kooperierende Agentur Connect-TV wird nicht ohne Zustimmung
ihrer Geschäftspartner gehandelt haben.
Das Haus Klosterfrau ist von dem beanstandeten Verhalten
abgerückt. Es gab an, sich künftig an die Richtlinien des PR-Rates
über Produkt Placement und Schleichwerbung zu halten.
Bezüglich der in Locarno residierenden, bis 2003 aber vornehmlich
in Deutschland tätigen Connect-TV verweist der PR-Rat auf sein Urteil
vom 18.12.06. Zum Zeitpunkt der Platzierungen stand diese Agentur
unter der Leitung der deutschen Staatsbürger Wolfgang Overthun und
Hans-Joachim Müller und der Österreicherin Michaela Wölfler.
Rügen gegen W. Spitzner Arzneimittelfabrik GmbH und gegen
Connect-TC
Ein Artikel der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom
29.09.2005 hatte die Kooperation der W. Spitzner Arzneimittelfabrik
GmbH mit dem SAT 1-Frühstücksfernsehen zum Gegenstand. Darin wurde
beschrieben, wie der Beitrag "Reiseapotheke" zwischen der Firma und
dem TV-Vermittler im Detail abgesprochen wurde. Ein von der Firma
vertriebenes Wurzelextrakt wurde ausführlich dargestellt. Der mit der
Produktion beauftragte Fernsehjournalist hatte die Firma auch um ihr
"Einverständnis" für den von SAT 1 geplanten Sendetermin gebeten.
Ausweislich der Inkasso-Listen des Vermittlers Connect TV zahlte
Spitzner dafür 20.000 EUR.
Ein von Spitzner beauftragter Rechtsanwalt beantwortete die Bitte
des DRPR um Bestätigung oder Richtigstellung der geschilderten
Sachverhalte nur kursorisch. Die Firma habe Informationen zur
Verfügung gestellt und es den Medien freigestellt, diese
aufzugreifen. Einflussnahmen hätten nicht bestanden.
Das Urteil
Der DRPR sieht keine Veranlassung, an den von der Firma
geleisteten Zahlungen zu zweifeln, zumal sie von ihr nicht
ausdrücklich in Abrede gestellt wurden. Er sieht daher den Tatbestand
unzulässiger Schleichwerbung als gegeben an.
Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der
Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die
Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art.
4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und
Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare
Werbemaßnahmen.
Der DRPR spricht gegen W. Spitzner Arzneimittelfabrik GmbH wegen
der nicht transparenten Platzierungen von Themen und Experten auf
SAT.1 eine offizielle Rüge aus.
Die vermittelnde Agentur Connect-TV trifft wegen ihrer
beraterischen Verantwortung eine besondere Schuld. Ihr Verhalten rügt
der Rat daher ebenfalls ausdrücklich. Die Urteilsbegründung
Die Geschäftsmodelle des TV-Vermittlers Connect-TV mit seinen
Partnern glichen sich bis hin zum Honorar pro Einzelsendung. Sie
wurden im Bericht der Landeszentrale für Medien und Kommunikation
Rheinland Pfalz vom 21.12.2005 detailliert beschrieben: Die Beiträge
"durften redaktionell nicht weiter bearbeitet werden und die
Sendetermine für ihre Ausstrahlung wurden ebenfalls von den Agenturen
vorgegeben." SAT 1 erhielt wie von den anderen Geschäftspartnern der
Connect-TV vermutlich ebenfalls 50% der Honorare der Spitzner
Arzneimittelfabrik GmbH.
Der Sender SAT.1 ist für sein Fehlverhalten öffentlich bestraft
worden. Alleine kann er aber nicht schuldig gewesen sein. Auch die
mit ihm kooperierende Agentur Connect TV wird nicht ohne Zustimmung
ihrer Geschäftspartner gehandelt haben.
Bezüglich der in Locarno residierenden, bis 2003 aber vornehmlich
in Deutschland tätigen Connect TV verweist der PR-Rat auf sein Urteil
vom 18.12.06. Zum Zeitpunkt der Platzierungen stand diese Agentur
unter der Leitung der deutschen Staatsbürger Wolfgang Overthun und
Hans-Joachim Müller und der Österreicherin Michaela Wölfler.
Der Deutsche Rat für Public Relations wird getragen von der Deutschen Gesellschaft für Public Relations (DPRG), der Gesellschaft der Public Relations Agenturen (GPRA) und dem Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP). Er hat kommunikatives Fehlverhalten gegenüber Öffentlichkeiten zu ahnden und ist darin eine dem Deutschen Presserat und dem Deutschen Werberat vergleichbare Institution der freiwilligen Selbstkontrolle. Wie die anderen Räte spricht er öffentliche Rügen und Mahnungen aus, erläßt Verhaltensrichtlinien und nimmt zu kommunikativen Fehlentwicklungen in der Öffentlichkeit Stellung. Grundlage seiner Beurteilung über Vorgänge der Finanzkommunikation sind die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes und die Kriterien der PR-Ratsrichtlinie zur ordnungsmäßigen Ad-hoc-Publizität, die im November 2003 vorgestellt und 2005 den Rechtsänderungen entsprechend aktualisiert wurde.
Quelle: Pressemitteilung DRPR