Historikerin Applebaum kritisiert Mantra "Wandel durch Handel"
Archivmeldung vom 08.10.2024
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.10.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie Historikerin Anne Applebaum hat die deutsche Russlandpolitik scharf kritisiert. "Nach 1945 und bis vor Kurzem hatte Deutschland keine geopolitische Strategie", sagte Applebaum dem "Stern".
"Wandel durch Handel, der Slogan der Ostpolitik, bedeutete im Kern: Man
kann mit jedem Geschäfte machen, auch wenn es politischen Erwägungen
total zuwiderläuft", erklärte die gebürtige US-Bürgerin, die auch eine
polnische Staatsbürgerschaft hält. "Man muss sich das vorstellen: Zur
selben Zeit, als die ersten Pipeline-Deals zwischen der Bundesrepublik
und der Sowjetunion geschlossen wurden, finanzierten die Sowjets die
RAF, war ein DDR-Spion persönlicher Referent von Kanzler Willy Brandt."
Applebaum
gilt als eine der führenden Kennerinnen Osteuropas und Russlands. Am
20. Oktober soll ihr in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis
des Deutschen Buchhandels verliehen werden. Sie warnt schon lange vor
Wladimir Putin und dessen aggressiver Politik - und kritisiert zugleich
die Deutschen für ihren zu einseitigen Blick auf die Geschichte.
Hinsichtlich
des Jahres 1989 sagte sie, die Deutschen sähen darin die friedliche
Wende. "Andere betrachten diese Zeit ganz anders. Für die Polen ist 1989
das Ergebnis von 30 Jahren zivilgesellschaftlichem Widerstand", so
Applebaum. Für die Einwohner der USA "die Folge von 40 Jahren
militärischem Engagement in Europa." Und sie warnt: "Wenn Putin in der
Ukraine Erfolg hat, dann werden auch die Deutschen die Folgen spüren."
Quelle: dts Nachrichtenagentur