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NDR distanziert sich vom Dokumentarfilm "Lovemobil"

Archivmeldung vom 22.03.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.03.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
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Der preisgekrönte und vom NDR mitproduzierte Kino-Dokumentarfilm "Lovemobil" der Autorin Elke Margarete Lehrenkrauss zeigt in weiten Strecken Szenen, die nicht authentisch sind. Das haben Recherchen der NDR Redaktion STRG_F ergeben. Der Film soll zwar auf Basis von langjährigen Recherchen der Autorin entstanden sein, aber zentrale Protagonisten des Films schildern nicht ihre persönlichen Erfahrungen, sondern spielen eine Rolle. Zahlreiche Situationen sind nachgestellt oder inszeniert.

"Lovemobil" ist ein Kino-Dokumentarfilm, der unter anderem aus Mitteln der Nordmedia Filmförderung finanziert wurde und an dem die NDR Dokumentarfilmredaktion als Ko-Produzent beteiligt war. Der Film schildert das Leben von Prostituierten, die unter entwürdigenden Umständen in Wohnmobilen am Rande von Bundesstraßen in Niedersachsen arbeiten. Er ist weltweit auf Festivals gelaufen, wurde im Juli 2020 mit dem Deutschen Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet und ist für den Grimme Preis nominiert.

Auslöser für die kritische Untersuchung des Films waren Recherchen der NDR Redaktion STRG_F, die Informationen aus dem Umfeld der Produktion bekommen hatte und nach eigenen Nachforschungen auf Unstimmigkeiten stieß. Im Interview mit STRG_F räumt Elke Margarete Lehrenkrauss ein, es versäumt zu haben, den NDR über die Inszenierungen zu informieren. Sie bereue das und behauptet zugleich, der NDR habe nicht nachgefragt.

Elke Margarete Lehrenkrauss verteidigt gegenüber STRG_F ihre Vorgehensweise: "Ich kann mir auf jeden Fall nicht vorwerfen, die Realität verfälscht zu haben, weil diese Realität, die ich in dem Film geschaffen habe, ist eine viel authentischere Realität."

Elke Margarete Lehrenkrauss räumte unter anderem ein, dass sie Darsteller als Protagonisten eingesetzt hat, darunter auch Bekannte. Die Prostituierte "Rita" im Film "Lovemobil" ist keine Prostituierte. Laut Lehrenkrauss soll "Rita" Geschichten von anderen Prostituierten nachgespielt haben. Auch "Milena" arbeitet nicht wie im Film dargestellt als Prostituierte in einem Wohnmobil an der B188/ B4 bei Gifhorn, sondern war nur für die Dreharbeiten in Niedersachsen. Bei einem der gezeigten "Freier" soll es sich um einen Bekannten der Autorin handeln.

Der Film "Lovemobil" wurde von der NDR Dokumentarfilmredaktion redaktionell begleitet und abgenommen. Grundlagen waren ein Exposé und eine Kalkulation über einen Dokumentarfilm. Die Redaktion war während der mehrjährigen Produktionszeit zu keinem Zeitpunkt über die Inszenierungen informiert worden. Die NDR Dokumentarfilmredaktion weist den Vorwurf von Elke Margarete Lehrenkrauss zurück, keine Nachfragen zur Authentizität gestellt zu haben. Der NDR steht mit der Aufklärung des Vorfalls noch am Anfang.

Frank Beckmann, Programmdirektion Fernsehen: "Der Film "Lovemobil" entspricht nicht den Standards, die der NDR an dokumentarisches Erzählen anlegt. Er gaukelt dem Publikum eine Authentizität vor, die er nicht hat. Journalisten des NDR haben aufgedeckt, dass weite Teile des Films frei inszeniert wurden. Der NDR wird den Sachverhalt in seinen Programmen transparent machen und unabhängig berichten. Wir müssen neben der vollständigen Aufklärung noch bessere Wege finden, wie wir uns vor solchen Irreführungen schützen können".

Das Genre Dokumentarfilm ist der Realität und Wahrheit verpflichtet und genießt deshalb beim Publikum ein besonders hohes Ansehen, da es wegen seiner meist rein beobachtenden, auf Begleitkommentare verzichtenden Berichterstattung als besonders authentisch und wirklichkeitsnah gilt. Der NDR ist seit Jahrzehnten Förderer des Dokumentarfilms, aber auch des sogenannten Dokudramas, einer Verbindung aus dokumentarischen und szenischen Elementen. Entscheidend dabei ist, dass Fiktion und Wirklichkeit sauber getrennt werden.

Der NDR wird den Fall im eigenen Programm (Hörfunk und Fernsehen) transparent machen und die Berichterstattung auf ndr.de dokumentieren.

Im NDR Fernsehen berichtet das Kulturjournal (Montag, 22. März, 22:45 Uhr).

Das investigative Reportageformat STRG_F (NDR für funk) wird am Dienstag, 23. März 2021 um 17 Uhr, auf dem Youtube-Kanal von STRG_F berichten. STRG_F hat im Zuge der Recherchen mit Protagonist*innen des Dokumentarfilms, der Autorin Elke Margarete Lehrenkrauss sowie dem NDR Redakteur gesprochen, der den Film "Lovemobil" betreut hat.

Im NDR Fernsehen berichtet Panorama 3 (Dienstag, 23. März, 21:15 Uhr).

Der Film "Lovemobil" lief coronabedingt nur kurz im Kino. Das NDR Fernsehen zeigte "Lovemobil" am 8. Dezember 2020 um 0:30 Uhr und in der Mediathek (aus Jugendschutzgründen erst ab 22 Uhr). Der Film "Lovemobil" wurde vorerst aus der ARD Mediathek genommen und für Wiederholungen gesperrt.

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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