Habermas rät zu militärischer Stärkung der EU

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Der Philosoph Jürgen Habermas hat der europäischen Union geraten, sich militärisch zu rüsten. Eine Stärkung der Streitkräfte sei nicht nur zur kurzfristigen Unterstützung der Ukraine geboten, schrieb Habermas in einem Gastbeitrag für die "Süddeutschen Zeitung".
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union müssten auch "ihre
militärischen Kräfte stärken und bündeln, weil sie sonst in einer
geopolitisch in Bewegung geratenen und auseinanderbrechenden Welt
politisch nicht mehr zählen" und in den "Strudel der absteigenden
Supermacht" USA geraten würden.
Der 1929 in Düsseldorf geborene
Habermas, der ab 1964 in Frankfurt lehrte und weltweit zitierte
Grundlagenwerke der Philosophie und Soziologie verfasst hat, warnt
zugleich vor den Gefahren eines ungezügelten Militarismus in
Deutschland. Dass der "weltgeschichtliche Lernprozess", den er in der
Abschaffung der Wehrpflicht sieht, umgekehrt werden könnte, mache ihm
Sorgen. "Mich erschreckt, von welchen Seiten die deutsche Regierung, die
sich nun zu einer beispiellosen Aufrüstung des Landes anschickt,
gedankenlos oder gar ausdrücklich mit dem Ziel der Wiederbelebung einer
zurecht überwunden geglaubten militärischen Mentalität unterstützt
wird". Eine Stärkung der Armeen könne er nur "unter dem Vorbehalt eines
entsprechend weiteren Schrittes in der europäischen Integration"
unterstützen.
Habermas kritisierte, Europa habe sich "ohne eigene
Zielsetzung und ohne eigene Orientierung" auf die Unterstützung der
ukrainischen Kriegsführung eingelassen. Dem von Russland angegriffenen
Land habe Europa zwingend helfen müssen, der "kritische Blick für die
Gefahr eines Bruchs mit dem bisherigen Weltwirtschaftssystem und einer
bis dahin noch mehr oder weniger ausbalancierten Weltgesellschaft" habe
aber gefehlt.
Dies bringe die EU nun in eine prekäre Situation,
da die USA eine Kehrtwende vollziehen - die laut Habermas ebenfalls
vorauszusehen gewesen sei. Seit der Regierungszeit von George W. Bush
hätten die USA von ihrer Position als Garant des freien Westens Stück
für Stück verabschiedet. Der nun wiedergewählte US-Präsident Donald
Trump "scheine mit seiner Hinwendung zu Putin" nun lediglich
"anzuerkennen, dass die USA trotz ihres wirtschaftlichen Übergewichts
die weltweite Vorherrschaft einer Supermacht verloren, jedenfalls den
politischen Anspruch eines Hegemons aufgegeben" habe.
An eine
Rückkehr zu früheren Verhältnissen glaubt Habermas nicht, weder
innenpolitisch in den USA, wo Trump auf eine "eine digital gesteuerte
Technokratie" hinarbeite, noch auf der Ebene der Internationalen
Ordnung. "Längerfristig zerfallende Institutionen" ließen sich "nicht
innerhalb des Zeitraums einer Wahlperiode, selbst wenn Trumps System
noch einmal abgewählt würde, reparieren".
Quelle: dts Nachrichtenagentur