Maria von Welser: "Ich habe noch nie Probleme gehabt, etwas Neues anzufangen"
Archivmeldung vom 23.06.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićWie viele Leben kann man leben? Die meisten haben nur eines, Katzen angeblich sieben. Maria von Welser, 75, hat drei. Das ist keine Vermutung, nein, das verkündete sie selbst, als sie in den Ruhestand eintrat. Bei der Vollblut-Journalistin ist es eher ein Unruhestand geworden. Nicht nur beruflich, auch gesundheitlich. Gehirntumor, Hüft-OP und eine große Sehschwäche waren die gesundheitlichen Stolpersteine, die ihr das Schicksal in den Weg legen wollte. Viel geweint hat sie nicht.
"Ich habe mich tatsächlich gefragt: Habe ich das Weinen verlernt?", so die ehemalige Moderatorin im Interview mit der Zeitschrift FRAU IM SPIEGEL. "Das ist etwas, was mich speziell in der letzten Zeit bewegt: Wo sind meine Gefühle geblieben? Warum weine ich nicht mehr?"
Als FRAU IM SPIEGEL die Mutter von zwei Söhnen in München trifft, bewegt sie sich aufgrund der Hüft-OP noch ein wenig eingeschränkt und geht am Stock. Eigentlich könnte sie mit ihrem dritten Ehemann Klaus Häusler, 83, endlich ihr drittes Leben genießen. Stattdessen räumt sie ihr Leben noch mal richtig auf.
"Wir haben nach 21 Jahren unser Haus auf Ibiza aufgegeben. Jetzt ist die nächste Station das Gut Trenthorst in Schleswig-Holstein", erzählt sie FRAU IM SPIEGEL. "Ich richte ein Ferienhäuschen ein. Wir behalten aber unsere Wohnung in Hamburg. Ich räume auf. Breche auf zu neuen Ufern. Und ich werde wieder Bücher schreiben. Ideen dazu habe ich genug." Generell habe sie "noch nie Probleme gehabt, etwas Neues anzufangen".
Wegen der Hüft-OP war Maria von Welser drei Wochen zur Reha im Jägerwinkel in Bad Wiessee. "Jetzt bin ich zwei Mal pro Woche bei der Physiotherapie. Sechs Wochen lang bin ich an Krücken gegangen, seit sechs Wochen an Stöcken. Und abends muss ich ein Schmerzmittel nehmen, sonst kann ich nicht schlafen. Meine Physiotherapeutin beruhigt mich immer und sagt: ,Das braucht sechs Monate. Nimm' dir Zeit.'"
Und was war der Grund für die OP? - "Ich habe mir mit 18 beim Skifahren mein linkes Sprunggelenk zertrümmert. Vorletztes Jahr bekam ich dann plötzlich Probleme im Oberschenkel und keiner wusste, woran das liegt. Vielleicht ein Muskelfaserriss? Der erste Orthopäde meinte: ,Wir machen ein MRT vom Oberschenkel.' Da war alles gut. Ich musste aber vier Ibuprofen einnehmen, weil ich vor Schmerzen nicht mehr gehen konnte. Der zweite Orthopäde hat ein MRT von der Lendenwirbelsäule gemacht. Nix. Dann bin ich in meiner Verzweiflung zum Neurologen gegangen. Der hat mich zum dritten Orthopäden geschickt. Der hat sich die Hüfte angeguckt und gesagt: ,Die Hüfte ist verrottet. Die brauchen Sie neu - wegen des Sprunggelenks.'"
Die 75-Jährige hat in den vergangenen fünf Jahren einen gewaltigen Ärztemarathon hinter sich gebracht. Im Jahr 2017 war sie wegen eines Gehirntumors operiert worden. "Danach habe ich sehr lange gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen, weil mir sehr schwindelig war. Es war eine fünfstündige Operation am Kleinhirn-Brücken-Winkel", erzählt sie. "Zwei Jahre hatte ich einen sogenannten Gang-Schwindel. Die Ursache war nicht die Operation, sondern meine Gleitsichtbrille. Als ich sie auf Empfehlung meines Webmasters weggelassen habe, war alles okay. Orthopäde, Augenarzt und Neurologe haben gestaunt."
2021 musste sie sich erneut operieren lassen. "Ich war wieder im UKE in Hamburg. Leider konnte mein Professor nicht alles wegoperieren. Es hieß dann, dass die Tumore noch bestrahlt werden müssen. Im Sommer steht die nächste Kontrolle an." Nach der ersten OP habe sie 32 Bestrahlungen bekommen. "Das war die Hölle." Derzeit "schlafen" ihre beiden Gehirntumore, was ihr weitere Bestrahlungen erspart.
Wegen ihres Augenleidens (Blepharospasmus, eine Augenlidverkrampfung) geht sie außerdem tapfer alle drei Monate zum Spritzen.
Bis vor kurzem hatte Maria von Welser einen Lehrauftrag für praktische Philosophie an der Universität Paderborn. "In der Corona-Zeit haben wir die Vorlesungen online gestellt. Das war eine wahnsinnige Arbeit. Ich saß jeden Tag ab 9.00 Uhr am Computer. Jetzt hatte ich das letzte Semester - wieder im Präsenzunterricht. Und fand, dass ich mit 75 Jahren nicht mehr an der Universität lehren muss."
Noch einmal als Moderatorin zu arbeiten kann sie sich nicht vorstellen. "Ich finde, dass man in einem gewissen Alter nicht mehr vor die Kamera muss. Ich bin mit 64 gegangen und habe mein drittes Leben angefangen. Ganz bewusst organisiert." Sie habe Bücher geschrieben, Vorträge gehalten und einen Lehrauftrag gehabt. "Zurück ins Fernsehen zieht es mich nicht mehr." Hinzu kommt ihr journalistisches Selbstverständnis: "Ich spreche nur über Themen, wenn ich mir vor Ort ein Bild gemacht habe. Das ist mein Anspruch an den Beruf der Journalistin. Nur aus Zeitungen nacherzählen reicht nicht."
Unterstützung bietet sie Lea Ackermann, einer ehemaligen Ordensschwester, die mit 84 Jahren eine Stiftung für Kinder in Not gegründet hat. "Ich bin stellvertretende Vorsitzende und habe die Website gestaltet. Wir haben schon mit 300 000 Euro Kindern geholfen. 50 000 gingen ins Ahrtal, wo wir einen Kindergarten wiederaufgebaut haben."
Mit ihrem Buch "Ich habe beschlossen, dass es mir nur noch gut geht" (Ludwig Verlag) will die Powerfrau Menschen Mut machen. Krankheit ist noch lange nicht das Ende, scheint ein Lebens-Motto der Autorin zu sein.
Maria von Welser war 1988 das erste weibliche Gesicht eines "Frauen-Journals" im deutschen Fernsehen. Bei "Mona Lisa" ging es nicht um Mode, Beauty oder Haushalt. Das Team legte den Finger in Wunden, um auf Missstände aufmerksam zu machen, zog in den Krieg nach Bosnien und kämpfte für Frauen, die selbst zu schwach waren, ihre Rechte durchzusetzen.
Quelle: Frau im Spiegel (ots)