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GEMA und GVL bedrohen Webradios

Archivmeldung vom 16.03.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.03.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Michael Dahlke

Zum ersten April treten bei den Verwertungsgesellschaften GEMA und GVL neue Nuntzungs- Gebührenverordnungen in Kraft. Viele kleine Webradios in Deutschland werden dann ihr Programm einstellen müssen.

Betroffene und Kritiker der Verordnungen bezeichnen diese als Einschnitt in die Meinungs- und Pressefreiheit und Medienvielfalt in Deutschland.

Neue Technologien und Anwendungen wie Peercast, WLAN, DAB und NAT (Network Address Translation) bieten auch kleinen Internetradios vollkommen neue Chancen und Möglichkeiten. Ohne großen finanziellen Aufwand lassen sich semiprofessionelle Spartenprogramme von zu Hause aus produzieren. Ein Stück von Bertold Brechts Vision vom Arbeiterradio wurde durch das Internet realisierbar. Unzählige Anbieter drängten sich mit Special Interest Angeboten für nahezu jeden Radiogeschmack ins Netz.

1. April Deadline für kleine Webradios in Deutschland

Am 01. April 2005 könnten viele der neuen Webradios aus dem Netz verschwinden. An diesem Tag tritt die neue Gebührenregelung der GEMA und der GVL in Kraft. Die günstigen Tarife und Sammellizenzen der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten und der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte für kleine Internetsender fallen damit weg. Die neue Gebührenordnung richtet sich nicht nach der Zahl der realen Zugriffe, sondern nach der gleichzeitigen technischen Empfangsmöglichkeit im Internet. Zahlte ein Sender bislang im Monat 26,75 Euro an die GVL so werden es ab April 2005 über 350 Euro pro Monat sein. Der Großteil der Internetradios in Deutschland arbeitet werbefrei und ohne finanzielle Unterstützung von Institutionen oder Firmen. Für sie bedeutet die neue Gebührenverordnung das Aus.

Auch Speichern von Musik wird kostenpflichtig Kurt Göttlicher aus Würzburg betreibt seit 2000 einen Internetradiosender. Im Juni 2002 gründete er das Projekt Radiopiraten.net. Dieses ist auch bei der GEMA und GVL angemeldet. Nicht nur die neuen Gebühren, auch die neuen Nutzungsbedingungen für Webcaster zwingen ihn, das Programm Ende März einzustellen. "Wir haben keine Perspektive. Ich kann als Betrieber nicht garantieren, dass ein DJ nicht mehr als drei Songs eines Interpreten spielt. Ich kann nicht gewährleisten, dass das Programm nur in Deutschland empfangen und nicht mitgeschnitten wird.", sagte Göttlicher. Ab April 2005 wird für Webradios auch das Speichern von Musik kostenpflichtig. Eine Programmvorschau darf nicht mehr erstellt werden. Die Namen gespielter Künstler dürfen nicht mehr im voraus genannt werden. Das Webradio muss sicherstellen, dass unveröffentlichte oder unautorisierte Remixe, Bootlegs, Demos oder Konzertmitschnitte nicht gesendet werden. Wiederholungen von Sendungen werden stark reglementiert. Nur Wortbeiträge dürfen ins Archiv Nur Wortbeiträge dürfen archiviert werden. Automatische Senderwechsel, Rückspul- und Titelskipfunktionen und personalisierte Programme sind ebenfalls nicht mehr gestattet. Die neuen Rahmenbedingungen begründen GEMA und GVL mit dem Gegenseitigkeitsvertrag zwischen den Verwertungsgesellschaften. Auch die wettbewerbsrechtlichen Prüfungen der EU-Kommission hätten dazu beigetragen. "Ich glaube, man kann daran nichts mehr ändern. Doch alles steht und fällt mit den Teilnehmenden.", bemerkt Kurt Göttlicher. Viel Engagement zur Rettung des Internetradios haben die User bisher noch nicht gezeigt. Auf der Seite GVL-Protest.de kann man sich Banner downloaden und Protestmails an die GVL verfassen.

Gabi Reichel von Radio Hallosagen aus Nürnberg möchte den kleinen Sender unbedingt erhalten. Sie kritisiert jedoch die oft zu emotionale Kritik an der GVL. "Es gab bis jetzt zu viele blinde Initiativen, die die Pferde scheu machen." Engelbert "Angel" Eichhorn vom Gothic-Sender r1.live.de aus Erlangen will in den nächsten Tagen auf Ich-will-Webradio.de eine Unterschriftenliste online stellen und eine große Kampagne zur Rettung der Internetradios lostreten. "Die neue Verordnung verstößt gegen Artikel 5 im Grundgesetz. Wir haben bereits den Bundestag angeschrieben, werden auch das Kartellamt kontaktieren und 150.000 Flyer drucken. Wir sind bereit, Gebühren zu bezahlen.

Kosten für ein Webradio: 95.000 Euro pro Jahr Die Schröpfungen der GEMA und GVL können wir aber nicht anerkennen. Bei unserem jetzigen Höreraufkommen hätten wir ab April kosten von 95.000 Euro. Da wir Serverkosten von 12.000 Euro im Jahr haben, sind wir auf Werbung angewiesen. Trotzdem ist das Radio für mich nur ein Hobby.". Sowohl Radio Hallosagen als auch r1live gehören dem Radioring an.

Der Radioring ist ein weltweiter Verbund von Internet-Radiosendern. Dieser setzt sich für die Förderung und Verbreitung des Mediums Internetradio ein und versucht auch gegenüber den Verwertungsgesellschaften, dem Gesetzgeber und den Medienanstalten die Interessen der Mitglieder durchzusetzen. Ob dessen Mitglieder auch nach dem 1. April 2005 noch im Netz zu hören sind, hängt zum großen Teil von deren Engagement ab.

Jens Steiner

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