ARD dementiert Behauptungen einer OBS-/Netzwerk-Recherche-Studie, die gar nicht aufgestellt wurden
Archivmeldung vom 08.07.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVolker Herres, Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen, hat in einer Pressemitteilung vom 7. Juli "die Behauptungen, die in einer Studie von Otto Brenner Stiftung und Netzwerk Recherche aufgestellt werden", entschieden zurückgewiesen. Er weist dabei allerdings zurück, was in der Studie gar nicht behauptet worden ist.
Die Otto Brenner Stiftung nimmt wie folgt Stellung:
1. Zentraler Untersuchungsgegenstand der OBS-Studie ist die Frage, ob auch überall Information drin ist, wo Information drauf steht. Der Autor Fritz Wolf zitiert mehrmals öffentlich-rechtliche Programmforscher, die herausgefunden haben und belegen können, dass ein wachsender Anteil an Information eigentlich Infotainment ist - vor allem bei den Privaten, aber eben nicht nur bei den Privaten.
In der Studie wird an keiner Stelle behauptet, dass der "Informationsanteil" im Ersten abgenommen hat. Vielmehr gibt der Autor wichtige Ergebnisse der Programmforschung wieder (und belegt das auch durch Tabellen), dass in den vergangenen Jahren die Nachrichtenanteile im Programm recht stabil geblieben sind. Auf die entscheidene Frage allerdings, ob auch überall Information drin ist, was von der ARD als Information "verkauft" wird, gibt die Herres-Stellungnahme keine Antwort.
2. Die Aussage, dass TV-Nachrichten insgesamt in den vergangenen Jahren unpolitischer geworden sind, stammt von dem Medienforscher Prof. Dr. Georg Ruhrmann (Jena). Sie wird in der OBS-Studie zitiert. Dazu gehört die Beobachtung, dass auch in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten häufig Personalisierung an die Stelle der Darstellung und Analyse von Strukturen getreten ist.
3. Die Beobachtung, dass in den öffentlich-rechtlichen Sendern im Jahre 2010 Katastrophenthemen mehr und Wirtschaftsthemen weniger geworden sind, ist kein originäres Ergebnis der Wolf-Untersuchung, sondern eine Erkenntnis des Programmforschers Dr. Udo Michael Krüger. Der OBS-Autor hat selbst überhaupt keine eigene Programmbeobachtung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern angestellt, sondern die öffentlich zugänglichen Ergebnisse der Programmforschung ausgewertet und zusätzlich einige Interviews mit den Forschern geführt, die auch in die OBS-Studie dokumentiert sind.
4. Die Aussage, dass die Primetime ab 20.15 Uhr insgesamt, also bei allen Sendern, nach den Nachmittagszeiten die informationsärmste Sendestrecke ist, lässt sich aus den Analysen des Instituts für empirische Medienforschung ablesen. Das IFEM analysiert die Programmstrukturen der fünf großen Sender.
5. An keiner Stelle der Studie findet sich die Behauptung, dass es im Ersten weniger Dokumentationen und Dokumentarfilme gebe. Vielmehr moniert der Autor, dass Dokumentarfilme und zahlreiche wichtige Dokumentationen oft erst sehr spät, meist nach Mitternacht gesendet werden, Dokumentarfilme auch gern im Sommer. Dann stimmt zwar das "Mengengerüst", aber die Sendezeit nicht.
Ein aktuelles Beispiel als Beleg? "Strom ohne Atom" über Atomausstieg und Energiewende lief am Mittwoch, dem 8. Juni, um 23.40 Uhr im Ersten. Ist das eine zuschauerfreundliche Sendezeit für ein so wichtiges und heiß diskutiertes Thema? Eher doch ein Abschieben an den Programmrand.
Der Autor begründet aus solchen Beobachtungen seine Forderung, die öffentlich-rechtlichen Sender sollten ihren Informationsbegriff weiter fassen und solche Produktionen, die die aktuellen Informationen vertiefen können, stärker einbeziehen und den Zuschauern nicht durch Spätprogrammierung vorenthalten.
Quelle: Otto Brenner Stiftung (ots)