"Frontal 21" berichtet: Getarnt als Journalisten – Bundeswehr und MAD ermitteln illegal
Archivmeldung vom 15.03.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFeldnachrichtenkräfte der Bundeswehr haben bei Auslandseinsätzen mehrfach unter falscher Identität ermittelt und damit gegen Dienstvorschriften verstoßen. Bei einem dieser illegalen Einsätze wurde die Familie eines bis 2004 in Guantanamo gefangen gehaltenen Mannes, Mohammed Wazir, von einem angeblichen RTL-Fernsehteam in Kunduz/Afghanistan befragt.
Dies bestätigte die
Familie Wazir gegenüber ZDF-Magazin "Frontal 21". Dass
Feldnachrichtenkräfte der Bundeswehr die Befragung durchführten,
belegt ein dreiseitiger "Intelligence Report", der "Frontal 21"
vorliegt. Das Feldnachrichtenteam Kunduz berichtet darin über den
Besuch bei der Familie am 18. August 2004.
Auch in Bosnien gaben sich Feldnachrichtenkräfte als Reporter aus,
um verdeckt Informationen über mögliche Terrornetzwerke zu
beschaffen. In Zenica vernahmen ein Bundeswehrhauptmann und ein
Sprachmittler die Frau des in Guantanamo inhaftierten Algeriers
Bensayah Belkacem. Anela Kobilica, die Ehefrau, berichtete
gegenüber "Frontal 21", dass die Männer sich als Reporter
der "Süddeutschen Zeitung" vorgestellt und sich mit Presseausweisen
legitimiert hätten. Das Feldnachrichtenteam fertigte nach der
verdeckten Befragung am 16. Juli 2003 einen fünfseitigen
"Intelligence Report" an, der "Frontal 21" vorliegt.
Das Bundesverteidigungsministerium bezeichnete den Vorfall in Bosnien
gegenüber "Frontal 21" als "Einzelfall" und gab zudem an, "keine
eigenen Erkenntnisse" über die Vernehmung in Kunduz zu haben.
Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (B’90/Grüne)
verurteilte die verdeckten Bundeswehrermittlungen. Ströbele, der im
Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste zuständig
ist, erklärte gegenüber "Frontal 21": "Die Bundeswehr darf so etwas
nicht. Die Bundeswehrangehörigen müssen in Uniform agieren, und sie
dürfen nicht zu einem neuen Geheimdienst werden."
Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat beim Auslandseinsatz
in Afghanistan gegen gesetzliche Regelungen verstoßen. Das räumt die
Bundesregierung in ihrem 144-seitigen vertraulichen Bericht über die
BND- und CIA-Affäre ein. Danach haben drei Soldaten des MAD vom 27.
Mai bis 2. Juni 2004 mehrere Verdächtige im afghanischen
Innenministerium in Kabul verhört mit dem Ziel, den Bombenanschlag
auf einen Bundeswehrbus am 7. Juni 2003 aufzuklären. Auftraggeber sei
der Kommandeur des deutschen ISAF-Kontingents gewesen.
Im Bericht der Bundesregierung heißt es dazu: "Die Teilnahme von MAD-
Angehörigen an Befragungen von Gefangenen außerhalb von
Liegenschaften der Bundeswehr im Einsatzgebiet ist nach
Inkrafttreten des MAD-Gesetzes am 9. März 2004 mit §14 dieses
Gesetzes nicht vereinbar. Die Teilnahme an den Befragungen hätte
also nicht stattfinden dürfen."
Nach diesem Bericht unterstanden die drei Soldaten, die die Verhöre
durchführten, außerdem erst ab 1. Juni 2004 dem MAD und seien vorher
dem militärischen Nachrichtenwesen, der "Zelle G2 Militärische
Abschirmung" des deutschen ISAF-Kontingents, zugeordnet gewesen.
Quelle: Pressemitteilung ZDF