Jugendzeitschrift verletzt Jugendschutz - Presserat spricht sieben Rügen aus
Archivmeldung vom 15.09.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.09.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm 11. und 13. September 2007 tagten die beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats sowie der Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz in Bonn.
Jugendschutz
Die Jugendzeitschrift BRAVO HIP HOP verstieß nach Auffassung des
Beschwerdeausschusses in grober Art und Weise gegen den Jugendschutz.
Die Zeitschrift hatte den Rapper "King Orgasmus One" für einen Tag
begleitet, als dieser Material für seine neue DVD drehen ließ. Bei
diesem Dreh ging es um das Filmen von Pornoszenen, die zum Teil als
Fotos in dem Artikel veröffentlicht wurden. Der Beschwerdeausschuss
sah in dem Beitrag einen eklatanten Verstoß gegen die Ziffer 11 des
Presskodex, der von der Presse die Beachtung des Jugendschutzes
verlangt. Der Beschwerdeausschuss sah den Artikel insgesamt als
absolut ungeeignet für eine Jugendzeitschrift an.
Ehrverletzung und Schutz für Kranke
BILD wurde für einen Artikel über Khaled al-Masri öffentlich
gerügt. Unter der Überschrift "Warum lassen wir uns durch so einen
terrorisieren?" hatte die Zeitung über den von der CIA entführten
Deutsch-Libanesen berichtet. Es wurde mitgeteilt, dass al-Masri in
einer "Psychoklinik in Kaufbeuren" behandelt werde, weil er einen
Brandanschlag auf einen Supermarkt verübt hatte. Der Ausschuss
erkannte hier eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des
offenkundig kranken al-Masri, der in dem gerügten Beitrag als "irre"
bezeichnet wurde. Das Verhalten eines psychisch Kranken, der nach
Richtlinie 8.4 im Pressekodex besonderen Schutz genießt, wurde in
ehrverletzender Art und Weise dargestellt.
Die Richtlinie besagt:
Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen
grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf
ihn und seine Angehörigen soll die Presse in solchen Fällen auf
Namensnennung und Bild verzichten und abwertende Bezeichnungen der
Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund
anzutreffen sind, vermeiden. Auch Personen der Zeitgeschichte
genießen über den Tod hinaus den Schutz vor diskriminierenden
Enthüllungen.
Der Ausschuss wertete die Darstellungen außerdem als unangemessen
im Sinne der Ziffer 9 des Pressekodex:
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen
Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.
Trennung von Redaktion und Werbung
Schleichwerbung erkannte das Gremium in einem Beitrag der
HAMBURGER MORGENPOST über Italien-Wochen bei Karstadt. Grundsätzlich
dürfe über solche Aktionen als "Leserservice" berichtet werden. Die
Grenze zur Schleichwerbung sei jedoch
überschritten, wenn dies in werblich anpreisender Sprache geschehe
und einzelne Produkte ohne nachvollziehbaren Grund hervorgehoben
würden. Im gerügten Beitrag wurde die
Grenze mit der Formulierung "Die besten Love-Stories werden durch
tolle Gewinne wie einen "Amore-Urlaub" in Rom oder ein exklusives
Abendessen prämiert" sowie den Hinweis auf die Prosecco Marke "Ti
Amo" deutlich überschritten.
Richtlinie 7.2 - Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre
Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht
die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung
liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein
begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der
Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte
Vorteile belohnt wird.
Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet
besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.
Zwei Rügen erhielt die Programmbeilage PRISMA wegen Verletzung des
Trennungsgrundsatzes.
Ein Artikel beschäftigte sich mit Wohneigentum in Deutschland. Zu Wort kam darin der Geschäftsführer der Stiftung der Bausparkasse Schwäbisch-Hall. Der Artikel enthielt werbende Aussagen zum Thema Bausparen. Verstärkt wurde der Werbeeffekt durch einen beigestellten Kasten, in dem PRISMA gemeinsam mit der Bausparkasse vier Bausparverträge verlost hatte. Diese Veröffentlichung ging über das Leserinteresse hinaus und stellte Schleichwerbung dar.
Gleiches gilt für ein PRISMA-Interview mit einem
Internisten zum Thema "Stress". Der befragte Arzt wies darin auf
Klosterfrau Melissengeist hin. Für die Nennung dieses Produktes sah
der Beschwerdeausschuss keinen redaktionellen Anlass.
Anhaltspunkte für geldwerte Zuwendungen an Redaktion oder Verlag
konnte der Presserat in keinem Fall feststellen.
Die NEUE WESTFÄLISCHE wurde gerügt, da sie Werbung nicht klar als
solche gekennzeichnet hatte. Auf einer Seite, die sich exklusiv mit
einem Hörgerät beschäftigte, hatte die Zeitung neben traditionellen
Anzeigen auch redaktionell gestaltete Artikel veröffentlicht, die
bezahlt waren. Für den Leser war hier nicht klar erkennbar, dass auf
der Seite, für die die Anzeigenabteilung verantwortlich zeichnet,
ausschließlich Werbung veröffentlicht war. Hier sah der Ausschuss
einen Verstoß gegen die Richtlinie 7.1 des Pressekodex.
Richtlinie 7.1 - Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als
Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom
redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung
erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.
Redaktionsdatenschutz
Im Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz wurde am
Mittwoch, 12.09.2007, eine nicht-öffentliche Rüge gegen die Zeitung
SONNTAG AKTUELL ausgesprochen.
Die Zeitung hatte über den Arbeitstag
eines Sozialrichters berichtet und dabei den Namen einer klagenden
Hartz IV-Empfängerin genannt. Das war ein Eingriff in ihr
Privatleben. Schlimmer wurde dieser Eingriff noch dadurch, dass die
Zeitung zahlreiche persönliche Daten mitteilte:
die Pflegebedürftigkeit der Frau, ihre schwierige soziale Situation,
ihre privaten Probleme. Nichts davon war von öffentlichem Interesse.
Der Bericht verletzte also insgesamt das Recht auf ihre
informationelle Selbstbestimmung. Das wertete der Ausschuss als
schweren Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex:
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des
Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche
Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden.
Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung
Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse
achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und
gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.
Zum Schutz der Betroffenen verzichtet der Ausschuss auf den
Abdruck der Rüge.
Insgesamt wurden in den drei Beschwerdeausschüssen 67 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den sieben Rügen, 14 Missbilligungen und neun Hinweise ausgesprochen. In 33 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. Zwei Fälle waren begründet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, da die Redaktion ihren Fehler jeweils selbst berichtigt hatten. In zwei Fällen gab es mehrere Beschwerdeführer gegen die gleiche Veröffentlichung.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Presserat