Bestseller-Autorin Hera Lind: "In der Pubertät zu sein, wurde mir einfach nicht gestattet"
Archivmeldung vom 11.02.2020
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Freigeschaltet durch André OttHera Lind gehört zu den erfolgreichsten deutschen Autorinnen. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt und begeistern ein großes Publikum auch in Kino und Fernsehen. Außerdem ist sie als Sängerin und Fernsehmoderatorin bekannt. Das klingt nach einer Kindheit mit allen Freiheiten, das kreative Potenzial voll zu entwickeln! Nicht bei Hera Lind.
Ihr Naturell zeigte sich zwar schon früh, doch ausleben dufte sie es selten. "Als Kind war ich unternehmungslustig, neugierig, lebensfroh, mitteilsam, ausgelassen, gesellig. Damals wurde ich von meinen Eltern und Brüdern immer schnell zurückgepfiffen oder ausgelacht", sagt die Schriftstellerin im Interview mit PSYCHOLOGIE bringt dich weiter (Heft 02/2020 ab morgen im Hande). Deswegen denkt die 62-Jährige heute "mit gemischten Gefühlen" an ihre Kindheit zurück: "Ich möchte sie nicht noch mal erleben, und sie wäre auch heute gar nicht mehr denkbar. Da meine Mutter in der katholischen Kirche Organistin war, waren meine Brüder Messdiener, und ich half ihr beim 'Nümmerchen an die Wand schmeißen' fast täglich in der Kirche. Selbst Vokabeln habe ich auf dem Friedhof gelernt; in den Pausen zwischen Grill-Mucke und Gruft-Mucke, Maiandachten, Bußgottesdiensten und schmerzensreichen Rosenkränzen."
Den strengen katholischen Glauben ihrer Eltern sieht die gebürtige Bielefelderin kritisch: "Meine Eltern waren so fromm, dass es schon an Naivität und Autoritätshörigkeit grenzte. Darunter habe ich gelitten, weil nichts hinterfragt oder gar diskutiert werden durfte." Die kirchliche Erziehung hat dann auch ihre ersten Schritte ins Berufsleben beeinflusst. "Ich war wahnsinnig gläubig und ging noch als Studentin jahrelang täglich morgens um sieben in die Kirche. Deshalb studierte ich auch Theologie und Kirchenmusik; ich hatte gar keine andere Idee von der Welt und vom Leben", erzählt Lind, die als Teenie eher brav war. "Meine Mutter sagte später einmal: 'Du warst nie in der Pubertät.' Das heißt, sie wurde mir einfach nicht gestattet. Ich habe sie viel später nachgeholt, ich denke, zwischen 30 und 40. Da wurde ich auch ein bisschen zur 'Rampensau'."
Ihr Wunsch, Sängerin zu werden, wurde von der Mutter "ausgebremst" - mit einem Satz, der sich lange eingebrannt hat: "Später, als ich Gesang studieren wollte, sagte sie: Du kannst alles versuchen, nur nicht singen. Das hat für den Rest meines Lebens so starke Lampenfieberattacken ausgelöst, dass ich mich später aufs Schreiben verlegt habe, das war stiller und unauffälliger und komplett entspannt."
Quelle: PSYCHOLOGIE bringt dich weiter (ots)