Chefredakteure fordern zu gemeinsamem Handeln gegen den Vollmachtstourismus als Folge des BGH-Urteils zu Caroline auf
Archivmeldung vom 18.04.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlIm Rahmen eines hochkarätig besetzten Chefredakteurs-Podiums im Rahmen des VDZ Journalisten-Clubs zu den Folgen des Caroline-Urteils wurde die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs heftig attackiert.
"Das Caroline-Urteil des BGH vom 6. März dieses Jahres ist der größte
Angriff auf die inhaltliche Gestaltungs- und Darstellungsfreiheit von
Printmedien, den es seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland
gegeben hat", erklärt Claus Strunz, Chefredakteur der "Bild am
Sonntag". Die größten politischen Skandale wie Flick oder die
Machenschaften bei VW um Peter Hartz wären vielleicht nie aufgedeckt
worden, wenn es dieses Urteil bereits gegeben hätte. Strunz: "Das
Private ist immer auch politisch - deshalb ist es wichtig, darüber zu
berichten". Zugleich forderte er alle Journalisten zu solidarischem
Handeln auf: "Der Moment ist gekommen, wo wir alle gemeinsam mit
kühlem Kopf, aber heißem Herzen für unsere Freiheiten kämpfen müssen
- sonst verlieren wir sie für immer."
Auch Chefredakteurin Patricia Riekel ("Bunte", "Amica") warnte auf
dem von Michael Hanfeld (FAZ) moderierten Podium davor, die Folgen
des BGH-Urteils zu unterschätzen: "Es gibt schon jetzt einen massiven
Vollmachtstourismus von geschäftstüchtigen Promi-Anwälten, die mit
Generalvollmachten gegen die Berichterstattung in den aktuellen
Zeitschriften vorgehen. Dem werden wir uns aber nicht beugen -
Gefälligkeitsjournalismus entspricht nicht unserem journalistischen
Selbstverständnis. Wir wollen und werden nicht nur den schönen Schein
abbilden." Riekel warnte darüber hinaus vor einer Ausweitung der
Caroline-Rechtsprechung auf weitere journalistische Formate: "Der
nächste Schritt wird sein, dass sich die Einschätzung der Gerichte,
die aus Sicht der Presse nicht selten von einer starken Willkür
gekennzeichnet sind, verstärkt auch auf die politische
Berichterstattung auswirken wird". Diese Entwicklung habe sich
zuletzt im Fall der Stoiber-Nachfolge bereits angedeutet.
Norbert Lewandowski, Chefredakteur "Revue" äußerte die Befürchtung, dass die Berichterstattung, besonders im People-Journalismus, zum Spielball von Juristen wird. "Die aktuelle Tendenz der Rechtssprechung zeigt nur, dass der unterhaltende Journalismus von den Gerichten bewusst desavouiert werden soll. Wir habe es hier mit einem Elitedenken zu tun, das einen großen Teil der Bevölkerung ganz klar diffamiert." Kämpferisch gibt sich Peter Lewandowski, Chefredakteur "Gala": "Wenn es um eine wichtige Geschichte geht, halten wir gern dagegen und riskieren die Unterlassungserklärung. Da Prominente zudem auch künftig auf Publicity angewiesen sind, sehe ich für unser Business keine akute Gefahr." Die Hoffnungen des Münchner Anwalts und Rechtssoziologen Prof. Dr. Robert Schweizer, Keynote-Speaker der Veranstaltung, liegen derweil auf der medienpolitischen Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts: "Dessen abschließendes Urteil steht noch aus. Dann wird sich zeigen, ob wir unumstößlich auf die rigiden Usancen der französischen Medienpolitik zusteuern."
Quelle: Pressemitteilung VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger