MDR blickt gelassen auf mögliche Staatsvertragskündigung durch AfD
Archivmeldung vom 25.07.2024
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.07.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer MDR sieht einer Kündigung des Medienstaatsvertrages durch eine mögliche AfD-Regierung in Thüringen nach eigener Aussage gelassen entgegen.
"Der MDR bestünde weiter als Zweiländeranstalt und würde als
Mitteldeutscher Rundfunk für die mitteldeutsche Region natürlich
weiterhin ein Programm machen können", sagte der juristische Direktor
des Senders, Jens-Ole Schröder, der NDR-Medienredaktion Zapp. Der MDR
sei in diesem Fall weiterhin in Thüringen empfangbar. Auch müsse der
Rundfunkbeitrag trotz einer Kündigung weitergezahlt werden. Grund sei
eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 2021, die den
Beitrag vorläufig abgesichert habe.
Nach Einschätzung Schröders
kann Thüringens AfD-Chef Björn Höcke demnach eines seiner zentralen
Wahlversprechen nicht umsetzen: Die AfD will bei einem Wahlsieg in
Thüringen die Medienstaatsverträge kündigen, das Budget des MDR um 90
Prozent kürzen und durch eine Steuer finanzieren, die von Medien- und
Techfirmen wie Amazon und Netflix gezahlt werden soll. Das hatte Höcke
in einer Rede im November 2023 angekündigt.
Der Jurist Tobias
Mast vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg hält diese
Pläne allerdings für verfassungswidrig: "Es wäre ein drastischer
Einschnitt, der extrem von dem entfernt wäre, was das
Bundesverfassungsgericht mittlerweile als öffentlich-rechtlichen
Rundfunk definiert hat." Vor allem eine Kürzung des Budgets um 90
Prozent entspreche nicht den Anforderungen an eine Grundversorgung, so
Mast.
Auch eine Finanzierung durch Steuern sei problematisch.
Denn damit läge die Kontrolle über die Finanzen direkt bei der Politik.
Der Rundfunk wäre nicht mehr unabhängig: "Man kann sich etwas
vorstellen, wie die PiS-Partei in Polen geschaffen hat, nämlich ein sehr
regierungsfreundlicher Rundfunk, der keine kritischen Fragen stellt und
in das ideologische Weltbild der herrschenden Partei passt."
Im
Gegensatz zur Einschätzung des MDR geht Mast bei einer Kündigung der
Medienstaatsverträge von weitreichenden Folgen aus: "Die Personen, die
in Thüringen leben, wären nicht mehr verpflichtet, den MDR
mitzufinanzieren", sagte Mast. Das habe Auswirkungen auf den gesamten
öffentlich-rechtlichen Rundfunk: "Wenn ein Bundesland ausscheidet, fehlt
eine Geldquelle." Auch ein Sendeverbot für den MDR im Gebiet Thüringens
hält Mast im Fall einer Kündigung für wahrscheinlich.
Die
Thüringer AfD weist die Kritik an ihren Plänen zurück. "Wenn die Kosten
sich massiv reduzieren, dann kommt man mit kleineren Beträgen aus", so
der Stellvertretende Landessprecher Torben Braga. Seine Partei wolle das
Programm auf "Kernaufgaben" reduzieren, wie Nachrichten, Regionalsport
und "Traditionspflege". Die verfassungsrechtlichen Bedenken hält Braga
für unwesentlich: "Wenn Sie Juristen fragen, werden Sie immer
feststellen, dass es unterschiedliche Ansichten zu bestimmten Fragen in
der Juristerei gibt."
Quelle: dts Nachrichtenagentur