Demokratie und Urheberrecht
Archivmeldung vom 10.07.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.07.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Michael DahlkeDa das britische Außenministerium es dem britischen Autor und früheren Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, untersagt hat, zahlreiche Dokumente innerhalb seines Buches "Murder in Samarkand" zu veröffentlichen, die seine darin aufgestellten Behauptungen belegen, hat er diese nun stattdessen auf seiner Website veröffentlicht.
Schon in der Vergangenheit hatte die britische Regierung alles darangesetzt, die Veröffentlichung seines am Donnerstag erschienenen Buches, in dem er die Verwicklung des "Westens" und insbesondere der britischen Regierung in zahllose Menschenrechtsverletzungen, darunter auch Folter, in Usbekistan im Namen des "Krieges gegen den Terror" beschreibt, zu verhindern.
Das britische Außenministerium untersagte Murray die Veröffentlichung der Dokumente in seinem Buch mit der Behauptung, diese unterlägen dem Urheberrecht der "britischen Krone", da sie von britischen Beamten innerhalb ihres Dienstes erstellt worden seien. Tatsächlich handelt es sich Murray zufolge bei den Dokumenten allerdings um Papiere, die ihm aufgrund von Anfragen im Rahmen des britischen Informationsfreiheitsgesetzes zur Verfügung gestellt worden sind. Diese Dokumente sind von "Staatsdienern" - also "Angestellten" aller britischen Staatsbürger – angefertigt worden und könnten auch von jedem einzelnen – wie dies auch Murray tat – unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefordert werden. Allein diese Tatsache einer möglichen millionenfachen Anforderung dieser Dokumente – deren Bearbeitung sicherlich auch aus Sicht des britischen Außenministeriums kaum wünschenswert sein dürfte – belegt zweifellos, daß hier nur erneut versucht werden soll, Murray in der Veröffentlichung seines Buches und der darin enthaltenen Informationen möglichst effektiv zu behindern, nachdem dies zuvor durch den Vorwurf des "Geheimnisverrats" schon nicht gelungen war. Tatsächlich zeigten sich allerdings sogar die Anwälte seines Verlegers überzeugt, daß die ihm überlassenen Dokumente weiterhin dem Urheberrecht unterlägen und dies nur durch eine "Millionen-Klage" angefochten werden könne.
Murray veröffentlichte die Dokumente daraufhin am Dienstag auf seiner Website – das Buch enthält nur noch Verweise auf die Website. Murray spricht hier von einem "interaktiven Buch" und stellt sich auf den Standpunkt, daß es sich nicht um eine Urheberrechtsverletzung handele, da der Zugriff auf die Website kostenlos erfolge. Tatsächlich scheint diese Begründung, wie bereits ausgeführt, allerdings zu kurz zu greifen. Zumindest das deutsche Urheberrecht kennt außerdem einen Passus, der die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke ausdrücklich zuläßt, wenn dies in einem selbständigen Werk zur Erläuterung des Inhalts geschieht – was in Murrays Fall zweifellos zutrifft.
Am Freitag erhielt Murray aufgrund der Veröffentlichung der Dokumente auf seiner Website ein Schreiben der Anwälte des britischen Schatzamtes im Auftrag des Außenministeriums, in dem er aufgefordert wird, die Dokumente bis Montag 16:00 Uhr zu entfernen, andernfalls würde dies zu einer Klage gegen ihn führen. Murray hat erklärt, er werde sich am Montag anwaltlich beraten lassen und dann – aber auch erst dann – gegebenenfalls die Dokumente von seiner Website entfernen.
Das Blog "CraigMurrayFriends" führt eine Liste von Websites, die ebenfalls die Dokumente veröffentlichen und weist sicherlich nicht zu Unrecht darauf hin, daß ein rechtliches Vorgehen der britischen Regierung mit wachsender Verbreitung der Dateien immer unwahrscheinlicher werden dürfte.
Nachfolgend zu Dokumentationszwecken die von Murray veröffentlichten Dokumente (alle Adobe Acrobat-Format):
Dokument 1 - FCO Comment
Dokument 2 - IMF Telegram
Dokument 3 - Declaration
Dokument 4 - Speech
Dokument 5 - Hill Negotiation
Dokument 6 - Michael Wood memo of 13 March
Dokument 7 - Telegram of 18 March 2003 headed US Foreign Policy
Dokument 8 - Letter from Simon Butt dated 16 April 2003
Dokument 9 - Exchange of emails with Linda Duffield
Dokument 10 - Colin Reynolds' report of 26 June 2003
Dokument 11 - Minute of my meeting with Howard Drake
Dokument 12 - Letter from British Businessmen in Tashkent
Dokument 13 - Email to Kate Smith
Dokument 14 - Minute of 26 September 2003
Dokument 15 - Telegram