Österreichischer Journalismus steckt in Krise
Archivmeldung vom 16.01.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine vom Österreichischen Journalisten Club (ÖJC) beauftragte detaillierte Befragung unter 718 redaktionell beschäftigten Personen zeichnet ein erschreckendes Bild vom Zustand der österreichischen Presse. Die von der Gesellschaft für Marketing (OGM) durchgeführte Umfrage zeigt, dass die Journalisten die Verhältnisse in der Branche teilweise sehr kritisch beurteilen. Die Mehrheit ist der Meinung, das Recherche, Objektivität und ethische Grundsätze in österreichischen Redaktionen zu kurz kommen. Zudem gibt es Probleme mit Stress und schlechten Aussichten für Berufseinsteiger.
Die Umfrage ist die größte Studie dieser Art, die in Österreich je durchgeführt wurde. "Der österreichische Journalismus befindet sich mitten im größten Strukturbereinigungsprozess, den die Branche je erlebt hat. Auf Basis der Befragung wird der ÖJC noch dieses Jahr Strategien erarbeiten und Maßnahmen ergreifen, um die Zukunft des Berufs 'Journalist' auch in Zukunft zu gewährleisten", sagt ÖJC-Präsident Fred Turnheim gestern, Dienstag, anlässlich der Präsentation der Ergebnisse in Wien. Aus der Umfrage geht vor allem hervor, dass die Journalisten im Land ein Image-Problem haben.
Nur 53 Prozent der Teilnehmer halten ihre Kollegen für Kompetent, nur ein knappes Drittel würde das Prädikat "objektiv" vergeben. In einer repräsentativen Vorbefragung unter der allgemeinen Bevölkerung zeigt sich, dass das Image der Journalisten dort sogar noch schlechter ist. Aus der Studie, die laut Turnheim den Anspruch stellt, repräsentativ zu sein, geht hervor, dass Journalisten in Österreich älter sind als der Bevölkerungsdurchschnitt. Männer und Großstadtbewohner sind überrepräsentiert, wobei bei den unter 30-Jährigen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu finden ist.
Nur Veteranen verdienen gut
Journalisten arbeiten im Vergleich zum Durchschnitt übermäßig oft von zu Hause aus, leisten mehr Überstunden und haben öfter Dienstverhältnisse mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, wie etwa Wochenenddienste oder Nachtschichten. Das Einkommen ist ebenfalls höher als beim Durchschnitt. Das Netto-Medianeinkommen für österreichische Journalisten beträgt laut der Befragung 2.600 Euro im Monat. Allerdings stammen im Schnitt nur 86 Prozent davon aus der journalistischen Tätigkeit. Der Rest sind Zusatzeinkünfte aus anderen Quellen. Zu beachten ist, dass dieser Wert lediglich auf den Antworten der Journalisten beruht.
Junge Journalisten haben in der Regel wenig Zusatzeinkommen und verdienen allgemein schlechter. "Die Jungen, vor allem im Online-Bereich, verdienen nichts. Das ist schlecht für die Branche", so Turnheim. Der Anteil der in prekären Verhältnissen beschäftigten Journalisten ist mit sieben Prozent laut ÖJC überraschend gering. 20 Prozent sind selbständig und 70 Prozent haben einen Dienstvertrag, der Rest übt Journalismus nur nebenberuflich aus. Die Hochschulabsolventenquote ist im Journalismus höher als im österreichischen Schnitt, das gilt aber auch für den Anteil jener, die ohne fachspezifische Ausbildung erst in den Redaktionen angelernt werden.
Viel Stress
Beruflich bedingte Probleme im Privatleben werden bei Journalisten laut den Befragten vor allem durch Stress, Überlastung und ungesunde Lebensweise ausgelöst. Trotz all dieser negativen Aspekte sind die Journalisten im Land mit ihrer Arbeit überdurchschnittlich zufrieden. Lediglich bei der internen Kommunikation in den Unternehmen, Verlagspolitik und mangelnden Weiterbildungsangeboten werden größere Defizite verortet. Die Qualität der Arbeit wird in der Branche ebenfalls skeptisch gesehen.
Der ÖJC, der die 20.000 Euro teure Studie aus der eigenen Kasse bezahlt hat, will auf Basis der Ergebnisse der Umfrage noch heuer ein Strategiepapier erstellen und erste Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ergreifen. Welche Schritte gesetzt werden, könne erst nach der Entwicklung einer Strategie festgelegt werden, so Turnheim. Eine detaillierte Version der Studienergebnisse, die eine genauere Analyse erlaubt, soll demnächst in Buchform veröffentlicht werden.
Quelle: www.pressetext.com/Markus Keßler