Lettland sperrt RT-Webseite: „Größere Strategie“ aus der Bundestagsopposition befürchtet
Archivmeldung vom 01.04.2021
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Freigeschaltet durch Anja SchmittLettland hat eine russischsprachige RT-Webseite sperren lassen. Argumentiert werde dabei mit Sanktionen gegen den Rossiya Segodnya-Chef Dmitrij Kisseljow, der aber nichts mit RT zu tun hat. Kritik an dem Vorgehen der Behörden wird aus den Reihen der Bundestagsopposition laut. Dahinter wird u.a. eine „größere Strategie“ befürchtet, wie das russische online Magazin „SNA News“ berichtet.
Weiter ist auf deren deutschen Webseite dazu folgendes geschrieben: "Lettland hat am Mittwoch begonnen, den Zugang zu einer RT-Website zu blockieren. Die Website stehe Benutzern mehrerer großer Internetanbieter in dem baltischen Land nicht zur Verfügung, berichtet RT. Beim Versuch, eine Verbindung zur russischsprachigen RT-Website „russian.rt.com“ aufzubauen, wird seit Mittwoch folgendes auf Lettisch und Englisch angezeigt:
„Ihr Internetbrowser versucht, eine Verbindung zu einer Website herzustellen, auf der Fernsehprogramme im Hoheitsgebiet der Republik Lettland illegal verbreitet werden, ohne dass eine Rundfunkgenehmigung des Nationalen Rates für elektronische Massenmedien erteilt wurde. Der Zugriff auf die Website wird von Ihrem Internetdienstanbieter blockiert.“
Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass der Nationalrat für elektronische Medien beschlossen hat, den Zugang zur Website auf der Grundlage von Abschnitt 19 Absatz 1 und Abschnitt 21.7 des Gesetzes über elektronische Medien zu beschränken, da es sich um eine „illegale Verbreitung von Programmen“ handele.
In der Mitteilung heißt es weiter: „Der Inhalt dieser Programme kann gegen das Urheberrecht verstoßen, negative Auswirkungen haben und sich gegen Lettland und seine Bürger richten.“
Wie bizarr EU-Sanktionen ausgelegt werden
Im Juni 2020 beschloss der Nationalrat für elektronische Medien in Lettland, die Ausstrahlung von sieben Fernsehkanälen der RT-Gruppe im Land zu verbieten. Von dem Verbot sind die TV-Kanäle RT, RT HD, RT Arabisch, RT Spanisch, RT Dokumentarfilm HD, RT Dokumentarfilm, RT TV betroffen.
Wie der Rat mitteilte, seien die Kanäle aufgrund europäischer Sanktionen gegen den Generaldirektor der staatlich finanzierten Medienholding Rossiya Segodnya, Dmitrij Kisseljow, verboten worden. Allerdings ist allgemein bekannt, dass RT und Rossiya Segodnya zwei unterschiedliche und unabhängige Medienunternehmen sind. Wenn auch die Namen Ähnlichkeit aufweisen (RT - ehemals Russia Today; Rossiya Segodnya - aus dem Russischen: Russland Heute – Anm. d. Red.) haben weder Rossiya Segodnya noch Dmitrij Kisseljow einen direkten Einfluss auf RT und, wie er selbst sagt, nichts miteinander zu tun.
Später zog auch die litauische Radio- und Fernsehkommission nach und verbot mit dem Verweis auf Sanktionen gegen Kisseljow auch die RT-Ausstrahlung im Land.
Rigas Aktionen werden von RT-Chefredakteurin Margarita Simonyan kommentiert:
„Es ist komisch zu sehen, wie Lettland ein lustiges Modell der späten UdSSR nachbaut. Habt ihr es vermisst oder was? Dann sagt es doch“, schrieb Simonyan in ihrem Telegrammkanal.
„Größere Strategie dahinter“
Auch die deutsche Opposition beobachtet die Aktionen Lettlands mit „allergrößter Sorge“, wie es Andrej Hunko, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, gegenüber SNA deutlich machte.
„Hier liegt es auf der Hand, dass man versuchen möchte Schritt für Schritt, die russischen Informationskanäle RT und Sputnik zu beschneiden, einzuschränken, zu sperren. Das finde ich sehr, sehr problematisch, egal, was man im Detail von diesem oder jenem Medium hält.“
Es sei zwar offensichtlich, dass viele Einschätzungen der internationalen Lage voneinander abweichen, „aber das gehört zur Pluralität dazu“, so Hunko.
Die Begründung für das harte Vorgehen gegenüber RT im Baltikum sieht er skeptisch. RT sei gar nicht den EU-Sanktionen zuzuordnen. Dabei fragt sich der Europapolitiker, was dahinterstecke.
„Es scheint hier eine größere Strategie zu geben, eine russische Sicht auf die Dinge zu verunmöglichen. Eine Strategie, die sich auch immer weiter ausweitet.“
So äußert er die Befürchtung, dass ähnliche Interpretationen der EU-Sanktionen in Deutschland Fuß fassen könnten. Gleichzeitig ist er zuversichtlich, dass eine derartige Fehleinschätzung der lettischen und litauischen Behörden vor Gericht nicht standhalten wird.
„Armutszeugnis“
Auch der AfD-Außenpolitiker Armin Paulus Hampel hält nichts von derartigen Verboten. Es sei ein „Armutszeugnis für das Land“, das dieses Verbot ausspreche, so Hampel im SNA-Interview.
Auch er kann die Argumentationslogik der Behörden nicht nachvollziehen.
„Wenn eine Person mit EU-Sanktionen belegt ist, was schon bedauerlich genug ist, weil ich nichts von der Sanktionspolitik halte, dann kann man das nicht auf einen großen Mitarbeiterstab ausweiten, der in vielen Ländern aktiv ist und dort seinen journalistischen Job macht“, betont der AfD-Bundestagsabgeordnete.
Pressefreiheit im Visier baltischer Staaten
Doch das sind nicht die ersten Vorfälle, die die Arbeit von russischen Massenmedien in baltischen Staaten massiv erschweren.
So wurden Mitarbeiter von Sputnik Estland aufgrund drohender strafrechtlicher Verfolgung gezwungen, ihre Arbeitsbeziehungen mit der Redaktion zum 1. Januar 2020 zu beenden. Am 3. Dezember wurden in Lettland sieben Journalisten festgenommen, die als freie Autoren für die staatlichen russischen Medienportale Baltnews und Sputnik Lettland tätig waren. Ihre Wohnungen sind durchsucht, persönliche Sachen konfisziert worden. Weiterhin wurden Ausreisesperren gegen die Beschuldigten verhängt und Strafprozesse eingeleitet. Als Begründung wurden immer wieder Verstöße gegen das Sanktionsregime im Zusammenhang mit der Person Kisseljow angeführt.
Bundesregierung: „Kein Kommentar“
Die Bundesregierung hält sich bedeckt. Auf die Bitte von SNA-News, den Angriff auf die Pressefreiheit in Lettland am 3. Dezember zu bewerten, antwortete das Auswärtige Amt kurz:
„Das von Ihnen bezuggenommene Ermittlungsverfahren liegt in den Händen der lettischen Justizbehörden, die wir grundsätzlich nicht kommentieren. Laut lettischen Pressemeldungen soll es sich in den Verfahren um Verdachtsmomente zu Verstößen gegen ein EU-Sanktionsregime handeln“, teilte das Außenministerium Anfang 2021 mit.
Zu den Vorkommnissen in Estland sagte damals die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer: „Sie kennen unsere grundsätzliche Meinung zur Meinungsfreiheit. Innenpolitische Vorgänge würden wir nicht kommentieren“.
Auf SNA-Anfragen im Fall der neuerlichen Sperrung der RT-Internetseite hat das Auswärtige Amt bisher nicht reagiert.
Die Bundesregierung mische sich pausenlos in innenpolitische Angelegenheiten anderer Länder ein, empört sich Hampel. Dabei erinnert er an Berlins Äußerungen im aktuellen Konflikt um Belarus.
„Aber ich ahne natürlich auch, dass der Druck aus Europa auf das Baltikum stark sein wird. Wir haben ja auch in Deutschland Bestrebungen, RT zumindest einzudämmen. Ich weiß, dass der Verfassungsschutz inzwischen RT beobachtet, weil man sich mal kritisch mit seinem Präsidenten auseinandergesetzt hat.“
Auch in der Bundesrepublik gelte: „Medien, die über uns kritisch berichten, verbieten zu wollen oder durch einen Verfassungsschutz beobachten lassen zu wollen, ist der falsche Weg. Wenn man meint, hier ist eine falsche Berichterstattung, gibt es den Weg zum Gericht. Kann jede Regierung machen. Macht sie aber erstaunlicherweise nicht, sondern versucht, andere Instrumente einzusetzen, um ein Medium, was seine Sicht, in diesem Fall auf Deutschland, auch in Deutschland verbreiten will, mundtot zu machen“, erklärt der außenpolitische Sprecher der AfD.
Kontosperrungen von RT in Deutschland
Kürzlich machte ein Bericht von RT DE darauf aufmerksam, dass die „Commerzbank“ sowohl die Ruptly GmbH als auch RT DE Productions GmbH darüber informiert habe, dass die Bankkonten beider Unternehmen zum 31. Mai 2021 geschlossen würden. Die Ankündigung sei knapp einen Monat nach der Bekanntgabe der RT-Pläne zum Aufbau eines Fernsehsenders in Deutschland erfolgt.
Ruptly habe bei mehreren Banken einen Antrag auf Kontoeröffnung gestellt. Die meisten Anträge seien abgelehnt worden und die restlichen unbeantwortet geblieben, berichtet RT DE.
Mit Kontoschließungen waren staatliche russische Medien im Baltikum konfrontiert, darunter die Sputnik-Redaktionen in Estland und Lettland, bevor Strafmaßnahmen gegen die einzelnen Journalisten der Nachrichten-Kanäle von behördlicher Seite angedroht oder vollzogen wurden. Auch in Deutschland wird unter anderem durch unbelegte und falsche Desinformations-Vorwürfe der EU-Kommission sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Arbeit der russischen Auslandssender massiv eingeschränkt."
Quelle: SNA News (Deutschland)