Fünf schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen Presserat rügt
Archivmeldung vom 08.12.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats sowie der Ausschuss zum Redaktionsdatenschutz tagten am 5. und 6. Dezember 2006 in Bonn. Dabei wurden insgesamt 106 Beschwerden behandelt, zwölf Rügen, 19 Missbilligungen und 18 Hinweise ausgesprochen.
47 Beschwerden wurden als unbegründet angesehen, vier
Beschwerden waren begründet, es wurde jedoch auf eine Maßnahme
verzichtet, da die Zeitungen den Fehler von sich aus korrigiert
hatten. Zwei Beschwerden konnten nicht aufgeklärt werden, hier wurde
das Verfahren eingestellt.
Verdächtige identifizierbar
Insgesamt vier nicht-öffentliche Rügen wurden aufgrund eines
Verstoßes gegen die Ziffer 8 ausgesprochen. In drei Fällen wurden die
Veröffentlichungen von Fotos mutmaßlicher Täter gerügt. So hatte die
BILD-Zeitung einen 12-jährigen Schüler abgebildet, der seine Lehrerin
niedergeschlagen haben soll. In einem zweiten Fall hatte BILD das
Foto einer Frau veröffentlicht, die unter Verdacht stand, ihr
neugebore-nes Kind erstickt zu haben. Die TZ (München) hatte über
eine Gerichtsverhandlung gegen einen Mann berichtet, dem vorgeworfen
wurde, seine Ex-Freundin ermordet zu haben. Auch in diesem Fall war
dem Artikel ein Foto beigestellt, auf dem der
Verdächtige erkennbar war. Sodann hatte BILD über eine
Familientragödie berichtet, bei der ein Arzt seine Frau, einen seiner
Söhne und sich selbst umgebracht hatte. Der andere Sohn überlebte.
Von allen vieren wurden Fotos veröffentlicht. Gepixelt wurde
allerdings nur das Foto des überlebenden Kindes.
In allen vier Fällen erkannte der Presserat kein öffentliches
Interesse, das die Identifizierbarkeit der Personen gerechtfertigt
hätte. Der Presserat verzichtete im Sinne der Betroffenen allerdings
auf den Abdruck der Rügen und wählte als Maßnahme
jeweils die nicht-öffentliche Rüge. Ziffer 8 des Kodex fordert:
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des
Menschen.
Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann
es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen,
ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter
verletzt werden.[...]
Eine öffentliche Rüge erhielt die BILD-Zeitung, die in einem
Beitrag über den Freitod einer überschuldeten Frau in ausführlicher
Art und Weise berichtet hatte. Die Frau hatte sich beim Eintreffen
der Gerichtsvollzieherin aus dem Fenster gestürzt, da die
Zwangsräumung ihrer Wohnung bevorstand. Richtlinie 8.5 des
Pressekodex fordert jedoch eine Zurückhaltung bei Berichten über
Suizide:
Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung.
Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung
näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu
rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von
öffentlichem Interesse handelt.
Download illegaler Software ermöglicht
Das Ansehen der Presse verletzt sah der Beschwerdeausschuss durch
zwei Artikel der Zeitschrift PC MAGAZIN sowie einen Beitrag der
Zeitschrift PCgo und rügte beide Publikationen. In dem ersten Beitrag
des PC MAGAZIN hatte die Zeitschrift detailliert über den Download
von Raubkopien von chinesischen Webseiten unter Nennung der
einschlägigen Web-Adressen und Übersetzungstools berichtet. In einem
zweiten Beitrag hatte die Redaktion einen Vergleichstest von
illegalen Downloadquellen veröffentlicht. PCgo hatte ebenfalls über
Downloadmöglichkeiten von russischen Internetseiten berichtet. Nach
Auffassung des Beschwerdeausschusses versetzte die Berichterstattung
die Leser u.a. durch die konkrete Nennung von Webadressen und
Hinweise auf unterstützende Programme in die Lage, illegal Software
herunterzuladen. Eine solche Anleitung ist mit dem Ansehen der Presse
nicht vereinbar.
Ziffer 6 des Pressekodex fordert:
Jede in der Presse tätige Person wahrt das Ansehen und die
Glaubwürdigkeit der Medien [...].
Antisemitismus
Als diskriminierend bewertete der Ausschuss einen im
OBERBAYERISCHEN VOLKSBLATT (Mühldorfer Anzeiger) veröffentlichten
Leserbrief zum Israel-Libanon-Konflikt. In der Zuschrift war die Rede
davon, dass "die jüdische Welteroberung" im Irak ins Stocken geraten
sei. Weiterhin hieß es, die Juden bekämen die Zeit, "die sie
brauchen, um den Libanon zu vernichten und dort einen Holocaust
auszulösen". Diese Aussagen diskriminieren mit antisemitischen
Stereotypen unter dem Vorwand der Kritik an der Politik Israels
Juden. Daher rügte der Beschwerdeausschuss die Zeitung nach
Ziffer 12:
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder
seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen,
sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
In diesem Zusammenhang betonte das Gremium, dass auch bei der
Veröffentlichung von Leserbriefen die Publizistischen Grundsätze
beachtet werden müssen. Die Redaktion besitzt hier eine eigene
Prüfungspflicht.
Trennungsgebot verletzt
Gegen das Trennungsgebot von Werbung und Redaktion verstießen die
Zeitschriften MYSELF und TOP MAGAZIN Karlsruhe. MYSELF durch einen
werbenden redaktionellen Beitrag über Flip-Flops eines bestimmten
Herstellers. Das TOP MAGAZIN durch eine nicht gekennzeichnete Anzeige
eines Hotels, die für den Leser nicht als Werbung erkennbar war.
Beides verstieß gegen die Ziffer 7 des Pressekodex:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit
gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private
oder
geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche
wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten
beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche
ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text
und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.
Vorgezogene Geburt
Wegen eines groben Verstoßes gegen das in Ziffer 1 Pressekodex
festgehaltene Wahrheitsgebot wurde DAS GOLDENE BLATT gerügt. Die
Zeitschrift hatte in der Ausgabe vom 28.11.2005 über die Geburt des
dritten Kindes von Prinzessin Mette-Marit von Norwegen berichtet, das
allerdings erst einige Tage später zur Welt kam. Ziffer 1 fordert:
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und
die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote
der Presse.
Richtigstellung fehlte
Das HAMBURGER ABENDBLATT erhielt eine Rüge wegen einer Verletzung
der journalistischen Sorgfaltspflicht (Ziffer 2) und einer nicht
erfolgten Korrektur (Ziffer 3). Die Zeitung hatte ein Bild mit vier
giftigen Pilzen veröffentlicht und zwei davon als
essbar bezeichnet. Obwohl ein aufmerksamer Leser die Redaktion auf
den Fehler aufmerksam gemacht hatte, korrigierte sie ihn nicht. Dies
fordert Ziffer 3 des Kodex:
Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Presserat