Anästhesisten kritisieren WDR-Berichterstattung zu Beatmung
Archivmeldung vom 30.04.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.04.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttDer "Berufsverband Deutscher Anästhesisten" (BDA) und die "Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin" (DGAI) üben scharfe Kritik an der Berichterstattung des "Westdeutschen Rundfunks" (WDR) über die Beatmung von Covid-19 Patienten.
In einem Brief an WDR-Intendant Buhrow schreibt die DGAI, es handele sich um eine "völlig unnötige und unqualifizierte Emotionalisierung eines wichtigen intensivmedizinischen Themas, die zu einer völlig unnötigen Verunsicherung der Bevölkerung und damit der Patienten" führe.
In mehreren Beiträgen - unter anderem für das Fernsehmagazin "Monitor" - gibt der WDR die Meinung vereinzelter Mediziner mit begrenzter intensivmedizinischer Expertise wieder, wonach die Intubation und Beatmung von Covid-19 Patienten in vielen Fällen nicht gerechtfertigt sei und die Behandlung sogar zu einer höheren Zahl von Todesfällen führe. Grundlage für die Berichterstattung sind offenbar Zahlen aus dem "Journal of the American Medical Association" (JAMA). Allerdings wurden diese Zahlen inzwischen von der Redaktion des JAMA offiziell zurückgezogen: Ein Umstand, der den WDR-Autoren offenbar nicht bewusst sei, so die DGAI.
Außerdem versuchten die Journalisten, einen Konflikt zwischen Lungenfachärzten und Anästhesisten in Deutschland künstlich herauszuarbeiten, den es jedoch so nicht gebe: "Nicht-invasive Beatmung und invasive Beatmung sind keine Entweder-Oder-Konzepte der intensivmedizinischen Behandlung, sondern werden - individuell abgestimmt auf den jeweiligen Patienten - angewendet", sagt BDA/DGAI-Hauptgeschäftsführer Professor Dr. Alexander Schleppers. "Hier gilt die Anwendung eines Stufenkonzeptes als leitliniengerechte intensivmedizinische Behandlungsstrategie, von der Sauerstoffgabe über die nicht-invasive bis hin zur invasiven Beatmung." Diese würden von intensivmedizinisch erfahrenen Ärzten jeder Fachdisziplin gleichermaßen angewendet.
BDA und DGAI protestieren, dass die Recherche zu dem Beitrag für die Sendung "Monitor" "nicht ausgewogen" und "nicht professionell" gewesen sei. Es entspreche nicht den üblichen journalistischen Grundsätzen, eine nicht abgestimmte Einzelmeinung als gültige Mehrheitsmeinung und schon gar nicht als eine fundierte medizinische Empfehlung darzustellen.
In dem Brief an den WDR-Intendanten schreiben die Anästhesisten weiter: "Die Versuche einzelner Ärzte, in den Medien Angst vor einer Beatmung zu schüren, führen zu einer unnötigen Verunsicherung der Patienten und können durch die bislang vorliegenden wissenschaftlichen Daten an keiner Stelle verifiziert werden." Aus Daten der "Deutsche Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin" (DIVI) und aus einer Umfrage der DGAI gehe hervor, dass rund 70 Prozent der Intensivpatienten mit Covid-19 die Behandlung auf einer Intensivstation überlebten.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) (ots)