Klage gegen ZDF-Staatsvertrag: Reporter ohne Grenzen hofft auf weniger Staatseinfluss
Archivmeldung vom 04.11.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.11.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReporter ohne Grenzen blickt der morgen beginnenden Verhandlung über die Verfassungsklage gegen den ZDF-Staatsvertrag gespannt entgegen. "Ein Urteil, das den Einfluss des Staates in den Aufsichtsgremien einschränkt, halten wir für notwendig", sagte ROG-Vorstandsvorsitzende Michael Rediske. "Unabhängige Berichterstattung gerät leicht in Gefahr, wenn amtierende und ehemalige Politiker das Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens beaufsichtigen". Eine Obergrenze für die Zahl von Staatsvertretern in den Aufsichtsgremien gibt es in Deutschland bisher nicht. Das Urteil in dem Fall wird im kommenden Jahr erwartet.
Die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburg hatten die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie kritisieren die hohe Zahl von Staatsvertretern in den Aufsichtsgremien des ZDF. Im 77-köpfigen Fernsehrat, der das Programm beaufsichtigt und den Intendanten wählt, seien 45 Mitglieder (45 Prozent) "unmittelbar dem Staat zuzurechnen" (http://bit.ly/1bqnFhA). Zu ihnen gehören neben ehemaligen Ministern und Staatssekretären die Generalsekretäre von CDU und CSU, Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt, Wirtschaftsminister Philipp Rösler sowie Angela Merkels Medienberaterin Eva Christiansen. Die restlichen Mitglieder des Fernsehrates (Vertreter von Verbänden und der Gesellschaft) werden - zum Teil auf Vorschlag der Verbände - von der Ministerpräsidentenkonferenz berufen. Ebenso groß ist der Einfluss des Staates im 14-köpfigen Verwaltungsrat, der den Haushaltsplan beschließt und auf Vorschlag des Intendanten Direktoren und Chefredakteure wählt. Zu ihm gehören fünf ehemalige oder amtierende Ministerpräsidenten sowie Kulturstaatsminister Bernd Neumann.
Leitende Politiker haben in der Vergangenheit mehrfach Personalentscheidungen und die Programmpolitik im ZDF beeinflusst oder dies zumindest versucht. Besonders offensichtlich war dies, als CDU-nahe Verwaltungsräte unter der Führung des hessischen Ministerpräsidenten Roland-Koch 2009 den Vertrag von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nicht verlängerten. Die grüne Bundestagsfraktion initiierte daraufhin das Normenkontrollverfahren, das der derzeitigen Klage zugrunde liegt. 2012 versuchte CSU-Sprecher Michael Strepp, einen Bericht über die bayerische SPD zu verhindern und verlor daraufhin seinen Posten - anders als Bayerns Finanzminister Markus Söder, der sich 2006 als Mitglied des Fernsehrats beim Intendanten über die mangelnde Beachtung der CSU in ZDF-Berichten beschwerte.
In der ROG-Rangliste steht Deutschland auf Platz 17 von 179 Staaten und damit europaweit etwa im Mittelfeld. Ausführliche Informationen zu Problemen mit der Pressefreiheit in Deutschland finden Sie unter http://bit.ly/16ggTHn.
Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)