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STRG_F: Verleger Henri Nannen im Zweiten Weltkrieg an antisemitischer Propaganda beteiligt

Archivmeldung vom 11.05.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.05.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Henri Nannen (links) bei der Verleihung des Gödecke-Parke-Davis-Preises in Freiburg (1987), Archivbild
Henri Nannen (links) bei der Verleihung des Gödecke-Parke-Davis-Preises in Freiburg (1987), Archivbild

Foto: Urheber
Lizenz: CC BY 3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der ehemalige Verleger und Gründer des Magazins Stern, Henri Nannen, war im Zweiten Weltkrieg tiefer in den Nationalsozialismus verstrickt als bislang bekannt. Recherchen des Rechercheformats STRG_F (NDR/funk) zeigen antisemitische Flugblätter, die offenbar unter seiner Beteiligung in leitender Position entstanden sind.

Die Propagandaflugblätter vom "Unternehmen Südstern" beinhalten antisemitische Motive und Texte. So sieht man auf einem Flugblatt das Stereotyp eines reichen Juden, der über eine blonde Frau herfällt und ihr Strumpfband löst. Hinten, im Schaufenster seines Büros, steht "Sam Levy".

Die Botschaft: die kapitalistischen Juden machen sich zu Hause über die Frauen der Soldaten her, während deren Männer an der Front sterben. Ein anderes Flugblatt zeigt das Stereotyp eines dicken Juden, der sich über einen Truthahnbraten hermacht, während im Hintergrund ein amerikanischer Soldat stirbt. Die zynische Botschaft: Die Juden seien Verräter. Es gibt auch ein Flugblatt, in dem ein Jude Soldaten durch den Fleischwolf dreht und zu Geld macht oder eines, das einen jüdischen Strippenzieher zeigt - typisch für die nationalsozialistische Ideologie.

In den beiden letzten Kriegsjahren war Nannen am "Unternehmen Südstern" beteiligt, das auf Befehl Hitlers Feindpropaganda gegen die heranrückenden Amerikaner herstellen sollte. "Südstern" war Teil einer SS-Einheit, der Nannen von der Luftwaffe beigestellt wurde. Doch mehrere Quellen belegen, dass Nannen der eigentliche Leiter von "Südstern" war. "Sir Henri war der Boss", so hieß es laut Zeitzeugen. Dieses Zitat ist auch vom Stern unbeanstandet. Bislang war öffentlich jedoch nicht bekannt, was "Südstern" publiziert hat.

In dem Fund von STRG_F gibt es gleich Dutzende Flugblätter von "Südstern" mit antisemitischen Inhalten. So heißt es in einer Ausgabe: "Nur eine Gruppe von Menschen profitiert von jedem Krieg: Die Wallstreet und die Juden!". Es ist ein klassischer nationalsozialistischer Verschwörungsmythos. Ein anderes Flugblatt spricht in bizarrer Verdrehung der Wahrheit vom "Jüdischen Zweiten Weltkrieg". Und schließlich treibt es ein Flugblatt noch weiter und spricht bereits vom "Dritten Weltkrieg", den angeblich die Juden vorbereiteten. Dies alles wurde in den letzten beiden Kriegsjahren bei "Südstern" geschrieben, gedruckt und verbreitet.

Henri Nannen hat seine Tätigkeit bei "Südstern" zu Lebzeiten nie vollständig aufgeklärt. In seiner Entnazifizierung hat er "Südstern" und die SS-Einheit verschwiegen und direkt nach der Entlastung seine erste Zeitungslizenz erhalten - der Beginn seiner verlegerischen Karriere. Der Stern, der das Erbe seines Gründers und früheren Verlegers Henri Nannen hochhält, wollte sich zu den konkreten Vorwürfen nicht äußern. Man teilt lediglich mit, dass man grundsätzlich "jeder neuen Information zur Biografie Henri Nannens sehr offen" gegenüberstehe.

Der Stern würdigt Nannen seit Jahren als Namensgeber für den renommierten "Nannen Preis". Der ehemalige Verleger ist zudem Namensgeber für die renommierte "Henri-Nannen-Schule", die Journalistinnen und Journalisten ausbildet.

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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