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Wie viel Macht verträgt die Vielfalt?

Archivmeldung vom 24.05.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Vorsitzende der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), Professor Dr. Dieter Dörr, fordert eine Abschaffung des Zwei-Stufen-Modells der Medienkonzentrationskontrolle. Dies sagte er im Rahmen des 18. medienforum.nrw bei der Sonderveranstaltung, die die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht gemeinsam mit dem Mainzer Medieninstitut durchführte.

Wie eng die Themen Fusionskontrolle und Meinungsvielfalt zusammenhängen, machte Prof. Dr. Rolf Schwartmann, Leiter der Forschungsstelle, gleich zu Beginn der Veranstaltung deutlich. Nur ein funktionsfähiger Wettbewerb verhindere Monopole und stelle sicher, "dass unterschiedliche Informationen und Meinungen von verschiedenen Anbietern und Medien auf dem Markt zu finden sind".

Der KEK-Vorsitzende Dörr, der auch Direktor des Mainzer Institutes ist, bezog sich mit seiner Kritik an der zurzeit geltenden Konzentrationskontrolle auf die Vorgänge rund um das Prüfverfahren Springer-ProSieben.SAT.1. Er sei "betroffen" gewesen von der Reaktion mancher Direktoren der Landesmedienanstalten auf die Arbeit der KEK während des Prüfungsprozesses. "Man wirkt nicht auf ein laufendes Verfahren ein", beklagte sich Dörr. Noch mehr betroffen gemacht habe ihn das Verhalten der Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM). "Die Begründung für die Ablehnung der KEK war noch gar nicht veröffentlicht, als aus den Reihen der KDLM verkündet wurde, die Entscheidung würde wieder aufgehoben." Man könne nicht auf der einen Seite die Sicherung der Meinungsvielfalt in die Hände unabhängiger Sachverständiger (KEK) geben, wenn ein weiteres Gremium (KDLM) darüber noch einmal zu entscheiden habe und dies auch noch mit sachfernen Standortinteressen verbinde. Diese zweite Instanz müsse abgeschafft werden. Im Zweifel könnten immer noch die Gerichte über die Gesetzmäßigkeit einer KEK-Entscheidung befinden. Die KDLM hat zurzeit das Recht, mit einer Dreiviertel-Mehrheit KEK-Beschlüsse aufzuheben.

"Mit einer solchen Mehrheit kann man keine Standortinteressen durchsetzen", verteidigte Reinhold Albert, der Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt und derzeitige Vorsitzende der KDLM, das Modell. Er räumte gleichzeitig ein, dass das zweistufige Verfahren "aus ökonomischen Gründen" durchaus diskussionswürdig sei, meinte aber auch: "Wir sollten darauf achten, dass der Pulverdampf sich endlich mal verzieht und die Wunden heilen."

Dr. Ulf Böge, der als Präsident des Bundeskartellamtes in Sachen Springer/ProSiebenSat.1 ebenfalls negativ entschieden hatte, äußerte Verständnis für Dörrs Kritik. "Ich kann mir kaum vorstellen, der Wirtschaftsminister gäbe Ratschläge während eines laufenden Verfahrens. Hier wird in Sachen Verfahrensrecht anscheinend noch geübt." Er wies auch Vorwürfe zurück, das Kartellamt habe mit seiner Entscheidung deutsche Unternehmen benachteiligt. "Über diese Argumentation habe ich mich wirklich gewundert", sagte Böge. ProSieben.SAT.1 sei doch auch vorher schon in ausländischer Hand gewesen. Ausländisches Kapital zu verschrecken, sei zudem standortschädlich. Warum deutsche Unternehmen, die aus eigener Kraft führende Positionen auf dem Weltmarkt erreicht hätten, nun den Schutz des Bundeskartellamtes vor ausländischen Anbietern bräuchten, verstehe er nicht, erklärte Böge auch im Hinblick auf die Kritik mancher Zeitungsverlage an der Pressefusionskontrolle.

Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), bestand gegenüber Dörr darauf, dass die 30- bzw. 25-Prozent-Grenze beim Zuschauermarktanteil nicht unter die Vermutungsregel falle, sondern eine untere Eingreifschwelle darstelle. Er gab auch zu bedenken, ob das Instrumentarium zur Regulierung überhaupt noch zeitgemäß sei. "Da fällt es schwer, dass ein Sender wie 9Live zur Bildung von Meinungsmacht beiträgt." Durch die zunehmende Interaktivität werde der Nutzer und Zuschauer selber zum Meinungs-macher. Das Medienrecht müsse "entkernt", also "entreguliert" werden. Gleichzeitig werde über die vertikale Integration, also die Verbindung von Netzanbietern und Programmveranstaltern, noch zu wenig nachgedacht. Die Regulierung habe hier noch keinerlei Lösung parat.

Sowohl Dieter Dörr als auch Klaus Paetow, Abteilungsleiter im Bundeskartellamt, halten ihre Entscheidungen mit den bisherigen Möglichkeiten der Kontrolle von Marktmacht und Meinungsvielfalt für ausreichend und berechenbar. "Die Privaten können mit der KEK zufrieden sein", meinte Dörr. "Wir entscheiden schnell und haben erst einmal eine ablehnende Entscheidung getroffen." Die 30-Prozent-Grenze sei eine Vermutungsregel und gerade durch ihre Interpretationsfähigkeit ein flexibles Instrument, mit dem man auf neue Entwicklungen reagieren könne. Die Fragen der Zukunft seien: "Wann ist jemand Rundfunkveranstalter? Wie sichert man den Zugang zu den Zuschauern? Wie können die Endempfänger alle Inhalte erhalten?" Paetow sagte: "Die Entwicklung verläuft zur Zeit zu schnell, als dass man feste Regularien festschreiben könnte. Die wären morgen schon überholt."

Hans-Jürgen Jakobs, Ressortleiter Medien bei der Süddeutschen Zeitung, wagte folgende Prognose: "Wenn es Konvergenz bei den Medien gibt, wird es auch Konvergenz bei der Aufsicht geben."

Quelle: Pressemitteilung medienforum.nrw

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