Vorwürfe sexueller Belästigung beim WDR: Interne Mails zeigen, wie WDR-Intendant Buhrow bei der Aufarbeitung unter Druck gerät
Archivmeldung vom 25.04.2018
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Freigeschaltet durch André OttIn der Belegschaft des Westdeutschen Rundfunks wächst die Kritik am Krisenmanagement des Intendanten Tom Buhrow. Das zeigen interne E-Mails an Buhrow, die dem stern und dem Recherchezentrum Correctiv vorliegen. Der stern und Correctiv hatten vor drei Wochen den ersten und danach zwei weitere Fälle sexueller Belästigung im WDR aufgedeckt.
70 NRW-Reporter der Programmgruppe Aktuell des Programmbereichs IV des WDR drücken in einem elektronisch übermittelten Brief ihre "tiefe Sorge um den WDR, für den in diesen Tagen großer Schaden entsteht" aus. Sie schreiben: "Statt mit maximal möglicher Transparenz darzulegen, was geschah, was der Sender unternommen hat, als die Vorwürfe erstmals bekannt wurden, und was er nun unternimmt, schweigt das Haus oder äußert sich allgemein und mit Verweis auf arbeitsrechtliche Beschränkungen ausweichend. Auf diese Weise wird der Eindruck in Kauf genommen, dass etwas vertuscht werden soll oder beteiligte Personen geschützt werden sollen."
Die Reporter befürchten auch, dass ihre eigene Arbeit von den offenbar unzureichend aufgeklärten Belästigungsvorwürfen beeinträchtigt wird. Sie fragen: "Wie sollen wir künftig über den Splitter im Auge des anderen berichten, wenn in unserem ein Balken steckt?"
Die WDR-Journalisten warnen ihren obersten Dienstherrn. "Wenn wir nun durch Zögerlichkeit, Verschleppung und Intransparenz in eigener Sache versagen, geben wir unseren Wesenskern auf und werden Glaubwürdigkeit und Vertrauen verlieren", heißt es in dem Brief. Buhrow wird aufgefordert, Fakten zu liefern und "wo nötig auch die Konsequenzen" zu ziehen. "Tun Sie dies auch aus Respekt vor allen Frauen, die den Mut fanden, über das zu berichten, was ihnen widerfahren ist", schließen die Reporter ihren Brief, den nach Informationen von stern und Correctiv inzwischen weitere WDR-Mitarbeiter aus anderen Abteilungen unterzeichnet haben.
Auch die Redakteursvertretung des WDR hat Tom Buhrow geschrieben und den Intendanten zur "notwendigen Selbstkritik" aufgerufen. Das Gremium stellte fest, dass immer mehr Kollegen "persönliche Nachteile befürchten", wenn sie Kritik äußern. Ein "Klima des Vertrauens" fehle im WDR. Vergangene Woche hatten stern und Correctiv schon über einen Brief des Personalrats berichtet. Die Vertreter der Belegschaft misstrauen darin dem Intendanten, die Krise allein zu meistern und fordern "Hilfe von Außen".
Bei dem wachsenden Unmut von unten kann Tom Buhrow sich freuen, dass Ludwig Jörder, der Vorsitzende des WDR-Verwaltungsrats, hinter ihm steht. Jörder sagte dem stern zum Krisenmanagement des Intendanten: "Ich wüsste nicht, was er sonst noch machen sollte." Der Verwaltungsrat habe sich vergangenen Freitag mit der Causa befasst.
Quelle: Gruner+Jahr, STERN (ots)