Atom-Alarm: BBC verursacht Aufruhr bei Twitter
Archivmeldung vom 24.02.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn den 70er-Jahren hat die BBC eine Ansprache erstellt, die im Falle eines nuklearen Angriffs über die Radio-Notfallfrequenzen an die Bevölkerung gerichtet worden wäre, wie die Huffington Post berichtet. Diese Notfall-Meldung wurde im Jahr 2008 veröffentlicht. Nach vier Jahren ohne großes Aufsehen bringt die Ansprache jetzt die Twitter-Sphäre durcheinander. Tausende Menschen haben den Link zur PDF-Datei verbreitet. Warum die Ansprache sich ausgerechnet jetzt verbreitet, ist schwer zu erheben.
"Zusammenhänge mit dem atomaren Konflikt rund um den Iran oder einer Angst vor Atomenergie sind nur Spekulation. Die Aufnahme des Themas hat auch Züge einer Verschwörungstheorie, die Paranoia gegenüber dem Staat bestätigt. Twitter wird außerdem oft überschätzt. Es handelt sich nicht um ein Massenmedium, sondern hauptsächlich um einen Kommunikationskanal für Medienschaffende. Das hat Züge von Inselkommunikation", sagt Frank Hartmann von der Bauhaus-Universität Weimar gegenüber pressetext.
Latente Angst
Die Notfall-Ansprache der BBC versucht die Leute zu beruhigen und gibt Anweisungen zum Verhalten in der Krise. Die Menschen werden angehalten, keinesfalls ihre Behausungen zu verlassen, Wasser zu sparen und das Essen zu rationieren. Aus heutiger Sicht sorgt das für einen kalten Schauer, der einem über den Rücken läuft. In den 70er-Jahren bestand aber durchaus die Gefahr eines atomaren Krieges. "Das Wettrüsten wurde damals schon vielfach kritisch betrachtet. Panische Reaktionen gab es, auch auf beängstigende Neuentwicklungen wie Sputnik, aber nicht. Es gab eher eine latente Angst in der Gesellschaft. Diese lässt sich jedoch leicht verdrängen, wie jeder Autofahrer weiß", sagt Hartmann.
Auch die heutigen Ängste vieler Menschen, etwa vor einem erneuten atomaren Wettrüsten oder der Entstehung einer Super-Grippe, fristen ein Dasein als latente gesellschaftliche Phänomene, werden aber von den Medien oft aufgebauscht und dadurch kurzzeitig konkretisiert.
Twitter zeigt Verbreitung
Um wirklich eine Massenreaktion zu bewirken, ist laut Experten ein singuläres Ereignis, das kausal wirkt, notwendig. Auch die Medien müssen ihren Teil beitragen, um latenten Ängsten zum Durchbruch zu verhelfen. Oft wird der Einfluss eines Ereignisses auf die Öffentlichkeit auch völlig übertrieben dargestellt. "Das Radio-Hörspiel 'Krieg der Welten' von Orson Welles wird oft als Beispiel für medial transportierte Massenhysterie angeführt. Bei näherer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass es sich eher um einen von der damals jungen Medienwissenschaft erfundenen Mythos handelt, der zur Profilierung der Disziplin beitragen sollte", erklärt Hartmann.
Die Verbreitung von Meldungen, die Angst befördern, kann in einem Medium wie Twitter wesentlich einfacher nachvollzogen werden, als beispielsweise im Radio. "Die mediale Transparenz ist höher. Zusätzlich zur Meldung erhält ein Konsument auch deren Geschichte", sagt Hartmann. Das macht sich auch die Medienforschung zunehmend zunutze, indem sie die Verbreitung von Nachrichten in Echtzeit bei Twitter verfolgt.
Quelle: www.pressetext.com/Markus Keßler