Tiere beim Sex filmen verletzt die Privatsphäre
Archivmeldung vom 30.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNaturfilmer verletzen häufig das Recht von Tieren auf Privatsphäre, besonders wenn private und intime Momente gezeigt werden. Das behauptet ein englischer Filmexperte im "Journal of Media and Cultural Studies". Er analysierte eine Naturfilmreihe, die im Vorjahr von der BBC ausgesendet wurde. Besonders bei Szenen von gebärenden Tieren in deren Höhlen oder von Paarungen würden die Filmemachern ethische Grenzen überschreiten, so Brett Mills von der School of Film and Television Studies der Universität East Anglia.
Grundsätzlich gesteht Mills Tierfilmen durchaus hohen Wert zu. "Durch ihre Aufklärungsarbeit haben eine entscheidende Rolle für die Mobilisierung von Bürgern in Umweltdebatten", so der Experte. Aus dem Spiel bleiben dürfe dabei jedoch nicht die Ethik, für die laut Mills neben Menschenrechten auch die Rechte der Tiere und deren Wohlergehen entscheiden würden. "Klingt es auch verrückt, auf ein "Tierrecht auf Privatsphäre" zu pochen, so können wir nie wirklich wissen, ob Tiere ihr Einverständnis geben. Vielmehr geben sie oft zum Ausdruck, dass sie im Moment lieber nicht beobachtet werden wollen."
Als Beispiel führt der Filmanalyst die auf BBC laufende Szene eines
unter der arktischen Eisschicht gefilmten Narwals an, der vor der Kamera
ganz offensichtlich zurückweicht. "Statt ihn alleine zu lassen
berichteten die Filmemacher, ihre neue Kameratechnik erlaube es, das
Tier weiter zu verfolgen. Man fragt sich stets, wie Tiere gefilmt werden
sollen - nicht jedoch, ob es überhaupt angebracht ist", so Mills. So
wie Menschen sollte man auch der Tierwelt ein Recht auf Intimität
zugestehen, besonders etwa bei der Paarung oder beim Gebären - Momente,
in denen auch die meisten Menschen keine ständige Beobachtung wünschen.
Dem Tier seine Würde zugestehen
Es gehe hier nicht um den klassischen Tierschutz, erklärt der Züricher Tieranwalt Antoine F. Goetschel im pressetext-Interview. "Dem Tier wird durch das Filmen der Intimität kein messbares Leid zugefügt. Allerdings ist es eine Frage des Umgangs mit dem Tier, da es durch solche Aufnahmen sehr wohl verdinglicht und ein Stück auch erniedrigt wird." Grundsätzlich sieht der Experte Tierfilme als "eindeutig bessere Alternative" zur Tierbeobachtung im Zoo oder im Zirkus, zudem hätten sie Großes für das Verständnis der Menschen über Tiere geleistet.
Empfehlungen zum richtigen Umgang gibt es schon länger. Bereits 1994
veröffentlichte das Europaparlament eine "Entschließung zum Wohlergehen
und dem Status von Tieren in der Gemeinschaft". Dabei wird an die
Filmwirtschaft appelliert, nicht unkritisch Szenen zu übertragen, die
die Würde des Tieres verletzen. In der Schweiz ist die Würde des Tieres
in der Bundesverfassung verankert. "Man sollte nicht alles technisch
machbare auch durchführen. Vielmehr geht es hier darum, Mut zur Lücke zu
zeigen anstatt alles bedenkenlos aufzunehmen, was vor die Kamera
gerät", empfiehlt Goetschel.
BBC verteidigt sich
Die Naturfilm-Abteilung der BBC rechtfertigt in einer Stellungnahme ihr Vorgehen. "Die Filmtechnik ist mittlerweile so fortgeschritten, dass Naturfilmer Tierverhalten mit der geringsten möglichen Störung des Tieres filmen können. Die Filmer arbeiten eng mit den Wissenschaftlern zusammen, die die Komplexität des Tierlebens untersuchen." Für Goetschel noch keine befriedigende Antwort, zumal die Frage der Tierwürde nicht behandelt wurde. "Die BBC hat sich bisher einen hervorragenden Namen mit Tierfilmen gemacht. Es wäre gut, wenn sie auch in diesem Gesichtspunkt eine Vorreiterrolle einnimmt."
Quelle: pressetext.schweiz Johannes Pernsteiner