Astronaut Alexander Gerst: "Wir müssen uns physisch distanzieren, aber doch nicht sozial!"
Archivmeldung vom 02.06.2020
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Freigeschaltet durch André OttAlexander Gerst, 44, hat als Astronaut in den vergangenen Jahren eine neue Begeisterung für das Weltall entfacht, indem er auf Twitter als @Astro_Alex 1,2 Millionen Follower an seinem Abenteuer teilhaben ließ.
In der aktuellen Ausgabe des Studierendenmagazins ZEIT CAMPUS erzählt Gerst, wie er die Zeit der Kontaktbeschränkungen in seiner Kölner Wohnung verbringt: "Ich habe von meinen Missionen im Weltraum noch rund 80.000 Fotos, die ich nie angeschaut habe. Damit könnte ich mich monatelang beschäftigen. Und dann möchte ich noch meine Terrasse schrubben und neu lasieren."
Gerst erinnert sich im Gespräch an seine Zeit als Geophysik-Student in Karlsruhe und Wellington: "Ich habe eigentlich nie mehr gelernt als notwendig und saß in den Vorlesungen meistens ganz hinten. Aber wenn mich etwas interessiert hat, eine Formelherleitung oder ein physikalischer Zusammenhang, habe ich bei den Professoren nicht lockergelassen, bis ich mit ihrer Antwort zufrieden war." In seinen früheren WGs habe er wichtige Dinge für die Arbeit als Astronaut auf der Internationalen Raumstation gelernt, wo er 2014 und 2018 im Einsatz war. "Für das WG-Klima ist es gut, weniger Spuren zu hinterlassen, als vorher da waren. Wäsche abnehmen, Zahnbürsten wegräumen, Küche und Klo regelmäßig putzen: Das ist da oben genauso wichtig", so Gerst in ZEIT CAMPUS.
Zu den emotionalen Herausforderungen der Corona-Krise sagt Gerst: "Wir können ja trotz der Krise zusammen sein, am Telefon, im Chat, auf ein Bier bei Skype. Das sollten wir auch unbedingt." Social Distancing halte er deshalb für einen falschen Begriff. "Wir müssen uns physisch distanzieren, aber doch nicht sozial!" Er selbst habe sich auf seinen Missionen im All nie einsam gefühlt. "Einsamkeit hängt ja nicht davon ab, wie viele Menschen um einen rum sind, sondern von der Qualität der Kommunikation und davon, wie viel Kontakt man hat."
Trotzdem sei er in seinen ersten Tagen auf der Raumstation überfordert gewesen: "Es ist immer brutal, aus seiner Komfortzone gestoßen zu werden. Wenn man sich aber zwingt, die Sache durchzuziehen, oder keine Wahl hat, weil man gerade rund 400 Kilometer über der Erde schwebt, fängt man an, Neues zu lernen. Schmerzhafte Momente gehören dazu."
Quelle: DIE ZEIT (ots)