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"Vollbild" vom SWR: Recherchen decken Greenwashing bei vermeintlich "grünen" Geldanlagen auf

Archivmeldung vom 06.09.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.09.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: SWR - Südwestrundfunk Fotograf: SWR
Bild: SWR - Südwestrundfunk Fotograf: SWR

Einige der von Banken als "nachhaltig" beworbenen ETF (Exchange Traded Funds) enthalten Unternehmen im Portfolio, die unter anderem in der Rüstungs- sowie Öl- und Gasindustrie tätig sind. Das zeigen Recherchen des investigativen SWR Formats "Vollbild" (Video online ab 6. September, 17 Uhr auf www.youtube.com/vollbild und in der ARD Mediathek). ETF sind Aktien-Indexfonds, also Fonds, die einen Index nachbilden und Aktien verschiedener im Index enthaltener Unternehmen bündeln. Der Autor des "Vollbild"-Films, Alex Baur, hat sich in einer Undercover-Recherche von mehreren Banken zu nachhaltigen Geldanlagen beraten lassen und die im Selbstversuch von den Bankberatern empfohlenen ETF anschließend umfassend ausgewertet.

Große Player der Rüstungsindustrie in nachhaltigen ETF

Um die Nachhaltigkeitsversprechen der Banken aus der Werbung auf die Probe zu stellen, führte der "Vollbild"-Autor im Zuge seiner mehrere Monate dauernden Recherche mehrere Beratungs- und Informationsgespräche zur nachhaltigen Geldanlage bei der HypoVereinsbank, der Berliner Sparkasse und der Commerzbank. Diese Banken sind aktuell mit Werbung für nachhaltige Geldanlagen sehr präsent. Die von den Bankberatern bzw. auf der Homepage als nachhaltig empfohlenen ETF wurden einer sorgfältigen Analyse unterzogen. Die aufwändige Auswertung ergab, dass in den Aktien-Indexfonds enthaltene Unternehmen nicht den gängigen Vorstellungen von Nachhaltigkeit der Anlegerinnen und Anleger entsprechen und einige sogar gegen die eigenen Richtlinien von Banken und Fondsanbietern verstoßen. Alle der im Zuge der "Vollbild"-Recherche durch die Banken besonders empfohlenen "nachhaltigen" ETF sind jedoch durch Rüstungsunternehmen belastet. Eines zählt zu den 100 größten Rüstungsunternehmen weltweit. Ein Unternehmen ist mit Exporten am Jemen-Krieg beteiligt. Außerdem ergaben die Recherchen, dass in den vermeintlich nachhaltigen ETF auch Unternehmen enthalten sind, die Öl- und Gas fördern - teilweise auch mit kontroversen Methoden, wie beispielsweise Fracking.

Werbeversprechen werden nicht eingehalten

"Grüne" ETF liegen im Trend: Mit aufwändig produzierten Marketingkampagnen werben zurzeit gleich mehrere Banken für nachhaltige Geldanlagen. Sie versprechen interessierten Kundinnen und Kunden, mit ihrer Anlage in Fonds und ETF Gutes für unseren Planeten zu tun. Das Geld werde mit Blick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung sinnvoll angelegt. "Das Geschäft mit der nachhaltigen Geldanlage boomt", sagt Thomas Küchenmeister, Vorstand der NGO Facing Finance, im Interview mit "Vollbild". Die von den Finanzunternehmen selbst in Auftrag gegebene Studie " FNG-Marktbericht 2022" zeigt: Während 2011 das Volumen von nachhaltigen Fonds in Deutschland bei etwas mehr als 21 Milliarden Euro lag, ist es 2021 auf knapp 410 Milliarden Euro gestiegen.

Wie das Greenwashing-System funktioniert

In der knapp 30-minütigen investigativen Reportage deckt "Vollbild" auf, wie das Greenwashing-System bei Geldanlagen funktioniert und so Konzernen wie TotalEnergies, Hensoldt oder Coca-Cola einen Platz in nachhaltigen ETF sichert. Denn Unternehmen werden durch Ratingagenturen auf ihre Nachhaltigkeit hin untersucht und stützen sich dabei auch auf Daten, die von den Unternehmen bereitgestellt werden. Die Ratings wiederum werden für die Eingruppierung in die Fonds zugrunde gelegt: "Das wissen natürlich auch die Unternehmen und gucken dann, dass die Daten auch möglichst rating-freundlich aufbereitet sind. Da kann ich natürlich dann schon auch als nachhaltiges Unternehmen durchgehen", erklärt die unabhängige Nachhaltigkeitsberaterin Viola Raddatz im "Vollbild"-Interview.

Zu lasche Regeln durch EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie-Verordnung ist der Versuch auf EU-Ebene, Nachhaltigkeit bei Geldanlagen an konkrete Vorgaben zu knüpfen. Auf "Vollbild"-Anfrage erklärt eine Sprecherin der EU-Kommission: "Ziel der EU-Taxonomie ist es, Grünfärberei zu verhindern und Investoren dabei zu unterstützen, Wirtschaftstätigkeit zu identifizieren, die mit unseren Umwelt- und Klimazielen in Einklang stehen." Doch schon jetzt, während die Taxonomie noch im Aufbau ist, steht die Verordnung bereits wegen zu lascher Regeln in der Kritik. "Aus unserer Sicht könnte die Taxonomie durch die Aufnahme der Atomkraft einiges an Glaubwürdigkeit und dadurch Akzeptanz verlieren", kritisiert das Bundesfinanzministerium auf "Vollbild"-Anfrage.

Reaktionen der Banken auf die Recherchen

Mit den Recherchen zu den nachhaltigen ETF konfrontiert, verwies die Berliner Sparkasse auf den hauseigenen Fondsanbieter Deka. Der wiederum wies die Vorwürfe zurück und sieht die Ratingagentur in der Verantwortung. Die Commerzbank teilte mit, sie richte sich nach EU-Vorgaben. Die HypoVereinsbank ging auf keine der gestellten Fragen konkret ein. Stattdessen teilte sie mit, dass der ETF, den die Bankberaterin dem "Vollbild"-Autoren empfohlen hatte, seit Anfang August nicht mehr als nachhaltiger Fonds angeboten werde. Die HypoVereinsbank habe für sich mittlerweile strengere Nachhaltigkeitskriterien definiert.

Kritik an fehlender Transparenz bei nachhaltigen ETF

Thomas Küchenmeister von "Facing Finance" kritisiert die fehlende Transparenz bei nachhaltigen ETF: "Banken tun zu wenig, um diese Überforderung den Leuten zu nehmen, um transparent und offen zu sagen: 'So, hier, in diesem Nachhaltigkeitsfonds ist leider noch ein bisschen Öl drin und noch ein bisschen Waffe und noch ein bisschen Ausbeutung. Wäre das okay für dich?' So machen sie das aber nicht, sondern sie kaschieren das alles."

"Vollbild" ist das neue investigative Recherche-Format des SWR aus der Werkstatt von "Report Mainz" und LABO M. Alle zwei Wochen dienstags erscheint ein neues Video auf YouTube und in der ARD Mediathek.

Quelle: SWR - Südwestrundfunk (ots)

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