Verleger fordern mehr Sensibilität für Pressefreiheit, faire Wettbewerbsbedingungen und mehr Rücksicht in der Medienpolitik
Archivmeldung vom 17.09.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat Verstöße gegen die Pressefreiheit in verschiedenen Ländern der EU - allen voran in Deutschland - angemahnt. "Pressefreiheit ist ein Kriterium für demokratische Reife und für EU-Reife", sagte BDZV-Präsident Helmut Heinen heute bei der Eröffnung des Zeitungskongresses im Europäischen Parlament in Straßburg in Anwesenheit von Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering.
In verschiedenen
Mitgliedsstaaten der EU gebe es "eigenartige Vorstellungen" von
Pressefreiheit. Als Beispiel nannte Heinen die Situation in
Tschechien, wo unliebsame Journalisten auf "schwarzen Listen"
registriert und in ihrer Arbeit blockiert würden. Auch in Polen habe
es Versuche gegeben, die Presse mit einer staatlich gesteuerten
Journalisten-Akkreditierung unter Druck zu setzen.
Hart ins Gericht ging der BDZV-Präsident mit der Situation in
Deutschland, wo "das sensible Gut Pressefreiheit" in jüngerer Zeit
immer wieder beschädigt worden sei. Er erinnerte an
Beschlagnahmeaktionen, Durchsuchungen, Telefonüberwachungen und die
kürzlich erfolgte Serie von Ermittlungsverfahren gegen Journalisten
wegen angeblicher Beihilfe zum Geheimnisverrat. "Jede Demokratie muss
sich daran messen lassen, wie freizügig über die Tätigkeit
staatlicher Institutionen berichtet werden kann", so Heinen. Die
deutschen Zeitungsverleger erwarteten von der Politik und den
Ermittlungsbehörden mehr Sensibilität. Vor allem seien gesetzliche
Regelungen notwendig, die sicherstellen, dass die Veröffentlichung
von bestimmten Texten nicht mehr als Beihilfe zum Geheimnisverrat
eingestuft werde. Den Gesetzentwürfen zur Überwachung der
Telekommunikation sowie zur so genannten Vorratsdatenspeicherung
erteilte der BDZV-Präsident eine Absage.
An die EU-Politik appellierte Heinen, den Bereich der Presse bei
jeder Art von Harmonisierung auszuklammern. Die Zeitungen hätten
keine grenzüberschreitende Reichweite, deshalb seien die Kriterien
des Binnenmarkes nicht anzuwenden. "Nichts wäre schlimmer als die
schrankenlose Fortsetzung des Regulierungseifers, wie er in
Werbeverboten und -restriktionen zum Ausdruck kommt."
Die in der EU-Fernsehrichtlinie verankerte Möglichkeit, Product
Placement im Fernsehen zu erlauben, bezeichnete der BDZV-Präsident
als "medienpolitischen Sündenfall". Wenn der Verbraucher Werbung
nicht mehr identifizieren könne, werde die Glaubwürdigkeit aller
Medien aufs Spiel gesetzt. Heinen forderte den deutschen Gesetzgeber
auf, Product Placement in Deutschland zu verbieten.
Von der Bundesregierung erwarten die deutschen Zeitungsverleger,
dass sie sich gegenüber der EU dafür einsetzt, den reduzierten
Mehrwertsteuersatz für Zeitungen abzusenken. Es sei nicht
nachvollziehbar, warum Zeitungsinformationen, die der politischen
Willensbildung dienten, überhaupt besteuert würden, so Heinen. Ebenso
wie Nahrungsmittel gehörten Zeitungen zum Grundbedarf der Bürger.
In seiner Analyse der Entwicklungen im Medienmarkt hob der
BDZV-Präsident hervor, dass die Zeitungsverlage sich in einem - vor
allem durch das Internet - völlig veränderten Umfeld neu ausrichten
müssten. Die Internetaktivitäten der Zeitungen entwickelten sich
äußerst positiv. Die Verlagsangebote erreichten mittlerweile 34
Prozent der Internetnutzer in Deutschland, wovon allein 20 Prozent
auf die regionalen Zeitungen entfielen. Die für eine Refinanzierung
dringend notwendigen Werbeeinnahmen seien bisher noch "recht
übersichtlich", doch wollten die Zeitungsverlage am dynamischen
Wachstum noch stärker teilhaben. Zur Sicherung ihrer eigenen Zukunft
müssten die Zeitungsverlage sich zu komplexen Medienhäusern
beziehungsweise Multiplattform-Unternehmen entwickeln. Doch
Voraussetzung dafür sei eine Medienpolitik, die auf die
Besonderheiten des Zeitungsmarkts mehr Rücksicht nehme. So müssten
die Beteiligungsgrenzen der Verlage beim Rundfunk fallen. Lokales
Fernsehen - so Heinen - sei für die Zeitungsverlage eine wichtige
Option.
Scharfe Kritik übte der BDZV-Präsident an der Digitalstrategie des
ZDF und der ARD. Zu Recht habe die EU-Kommission die Mitgliedsländer
ermahnt, Auftrag und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
endlich zu definieren. "Es kann nicht sein, dass die
Rundfunkautonomie als Freibrief missbraucht wird, die eigene
Aufgabenstellung je nach Gutdünken zu interpretieren und zu
erweitern", so Heinen. Der Gesetzgeber sei gefordert, klare
Grenzlinien zu ziehen. Die Digitaloffensive der
öffentlich-rechtlichen Anstalten stehe im krassen Gegensatz zu den
Vorgaben der EU-Kommission, nämlich mit transparenten
Kontrollmechanismen sicherzustellen, dass private Anbieter im
Internet und bei der Entwicklung neuer Dienste auf mobilen Endgeräten
nicht benachteiligt würden.
Die Kritik des BDZV richtete sich auch gegen Entwicklungen im Postbereich. Die Postzustellung sei für die Verlage ein neues wichtiges Geschäftsfeld, sagte Heinen Die Zeitungsbranche erwarte, dass zum 1. Januar 2008 eine wirkliche Liberalisierung des Marktes stattfinde. Dazu gehöre auch der Wegfall des Umsatzsteuerprivilegs für die Post AG. "Es ist ein Unding, dass ein Monopolist mit einem Marktanteil von mehr als 90 Prozent keine Umsatzsteuern zahlt, während die Neulinge im Markt vom Fiskus zur Kasse gebeten werden", so Heinen wörtlich. Von der Bundesregierung als dem größten Aktionär der Post AG erwarteten die Zeitungsverleger eine besondere Sensibilität für die Funktionsmechanismen von Wettbewerb und Marktwirtschaft. Deshalb müsse auch die Allgemeinverbindlichkeit der Mindestlohnvereinbarung zwischen Post AG und Gewerkschaft abgelehnt werden. Die taktischen Manöver rund um den Mindestlohn-Tarifvertrag seien "ein einmaliger und unwürdiger Vorgang in der Geschichte der Tarifpolitik in Deutschland".
Quelle: Pressemitteilung BDZV