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Insider: Warum Reporter aus der Türkei ausreisen

Archivmeldung vom 14.03.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.03.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
ZDF Kamerateam (Symbolbild)
ZDF Kamerateam (Symbolbild)

Bild: (CC BY-SA 2.0) by  Mr. Captcha

Die Verweigerung der Akkreditierungen für deutsche Korrespondenten in der Türkei hat in Berlin für Empörung gesorgt. Journalist einer türkischen Nachrichtenagentur hält der deutschen Presse und Bundesregierung den Spiegel vor. Er nennt exklusiv Insiderinformationen für die Entziehung zumindest einer Pressekarte, berichtet das russische online Magazin "Sputnik".

Weiter heißt es auf der deutschen Webseite: „Vor rund zwei Wochen hatte das türkische Presseamt dem ZDF-Korrespondenten Jörg Brase, dem Korrespondenten vom „Tagesspiegel“, Thomas Seibert und dem NDR-Reporter Halil Gülbeyaz Medienberichten zufolge „ohne Angabe von Gründen“ mitgeteilt, dass ihnen eine weitere Akkreditierung nicht bewilligt werde. Deswegen haben Brase und Seibert die Türkei am Sonntag verlassen. „Für uns ist diese Verweigerung der Akkreditierungen nicht nachvollziehbar“, erklärte Seibert gegenüber dem Fernsehsender „Phoenix“ am Montag. Er glaube, dass die Türkei damit ein Exempel statuieren wolle. Einen Zusammenhang mit seiner journalistischen Arbeit könne er nicht erkennen.

Seibert verschweigt im Interview jedoch: Bereits am 5. März veröffentlichte das türkische Nachrichtenportal „Daily Sabah Deutsch“ Insider-Informationen eines vermeintlich hochrangigen Beamten der türkischen Regierung. Demnach stehe Seibert in direkter Verbindung zu den Organen der Terrororganisation von Fetullah Gülen — dem Drahtzieher des Putschversuchs vom 15. Juli 2016. Dem Korrespondenten wird eine Zusammenarbeit mit einem (in der Türkei verbotenem) „Gülen-Sprachrohr“, dem Nachrichtenportal „Ahval“ unterstellt. Das sei zunächst so eingestuft worden, dass es die Sicherheit der Türkei gefährde, erklärt gegenüber Sputnik der Redakteur der „Daily Sabah Deutsch“, Burak Altun.

Später hätten sich Thomas Seibert und auch der Chefredakteur des ‚Tagesspiegels‘, Mathias Müller von Blumencorn, bei der türkischen Nachrichtenagentur gemeldet und klargestellt, dass Seibert zusätzlich nur für das Medienportal „The Arab Weekly“ geschrieben hätte. Seine Beiträge seien ohne sein Wissen von der „Gülen-Plattform“ aufgenommen worden. Es habe nie einen Kontakt zwischen Seibert und „Ahval“ gegeben, beteuerte Müller von Blumencorn. Danach sei der Journalist nicht mehr als Mitarbeiter auf der Internetseite von „Ahval“ aufgeführt gewesen, was vorher der Fall gewesen sei, sagt Altun und ist sich sicher: „Das war der Grund, warum man ihm die Akkreditierung nicht verlängert hat.“

Unter anderem wegen der Verweigerung der Arbeitserlaubnis für die drei deutschen Journalisten hatte Berlin am Wochenende die Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei verschärft. „Wegen so etwas eine Reisewarnung auszusprechen, finde ich etwas übertrieben“, betont Altun und bemerkt: Im Moment seien nur noch NDR-Reporter Halil Gülbeyaz und Thomas Seibert von der Verweigerung betroffen. Der ZDF-Korrespondent Jörg Brase darf inzwischen seine Arbeit in der Türkei wieder aufnehmen. Das teilte Brase selbst via Twitter mit.

„Dem gegenüber stehen 20 weitere Journalisten, die ganz normal die Akkreditierung erhalten haben und die mit Sicherheit nicht AKP-freundlich sind und die Regierung unterstützen, sondern auch kritisch berichten.“ Somit könne man zwischen der Vergabe der Akkreditierung und einer kritischen Berichterstattung keinen „kausalen Zusammenhang“ feststellen, meint der Journalist, der aus Istanbul berichtet.

Was Pressefreiheit angeht, sieht er in Deutschland eine gewisse „Doppelmoral“: „Dass in Deutschland die Medienvielfalt nicht immer optimal gewährleistet ist, wie gerne behauptet, sah man zuletzt am Beispiel der russischen Agentur ‚Sputniknews‘, die von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg ohne nennenswerten Grund die Lizenz für ihr Radioprogramm entzogen bekam“, heißt es im „Daily Sabah“-Artikel.

Altun erinnert zudem an den G20-Gipfel in Hamburg im Jahr 2017. Dort wurden mehreren Journalisten nachträglich die Akkreditierungen entzogen — aus „Sicherheitsbedenken“, wie es später Regierungssprecher Steffen Seibert formulierte. „Komischerweise legt man hier doppelte Standards auf, wenn in der Türkei ähnliches passiert. Daher ist eine gewisse Doppelmoral und Heuchelei immer noch in den deutschen Medien vorhanden“. Dass die Bundesregierung die Reisehinweise nun verschärft hatte, sei „ganz klar ein Druckmittel gegen die Türkei, um die eigenen Interessen durchzusetzen“, bemängelt der Redakteur.

Anders sieht es die Türkei-Expertin und Politologin von der Freien Universität Berlin, Dr. Gülistan Gürbey. Sie hält den Schritt des Auswärtigen Amtes sowie die kritische Berichterstattung in Deutschland zu der Lage in der Türkei für „richtig“. Aber das Grundproblem des „Autoritarismus“ oder „dieses autokratischen Herrschaftsstils“ werde man damit nicht loswerden. „Es sind einfach zu viele Grauzonen im rechtlichen Bereich entstanden, die die Unsicherheit für den einzelnen Bürger schlichtweg stärken. Und dass Journalisten jetzt keine weiteren Akkreditierungen erhalten haben, ist ein Ausdruck dieser Gesamtsituation und der zunehmenden Unsicherheit“, so Gürbey.

Fakt sei, dass die „Kontrolle der Meinungsäußerung“ sehr strikt gehandhabt werde, erklärt die Politologin gegenüber Sputnik und merkt an: „Diese Kontrolle erfolgt im Übrigen über soziale Medien, jenseits dessen, ob man sich politisch betätigt oder nicht. Und diese Kontrollmaßnahmen haben in der Regierung zugenommen.“ Dass die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei kaum noch gegeben seien, sei keine Binsenweisheit, unterstreicht die Politikwissenschaftlerin. „Die Gesamtsituation ist eben erschreckend, weil die Unsicherheit durch diese Restriktionen und durch die Einschränkungen der Grundrechte zugenommen habe.“ Das sei nicht hinzunehmen. Darauf müsse reagiert werden, fordert Gürbey.

Die Türkei-Expertin warnt zudem vor der Berichterstattung der Nachrichtenagentur „Daily Sabah“ und bezeichnet das Portal als „Sprachrohr der türkischen Regierung“: „Was sie berichten, muss ganz kritisch aufgenommen werden.“ Fakt sei, „dass der Entzug der Akkreditierungen damit einherläuft, dass kritische Berichterstattung nicht gewollt ist. Hier geht es darum, von Seiten der Regierung Stärke zu zeigen. Diese Maßnahmen sind nur Ausdruck dieses willkürlichen Handelns. Mehr nicht!“, unterstreicht Dr. Gürbey.

Das komplette Interview mit Dr. Gülistan Gürbey (FU-Berlin) zum Nachhören:

Das komplette Interview mit Burak Altun (Daily Sabah Deutsch) zum Nachhören:

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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