Ex-Moderatorin Anke Harnack über den Einfluss von PR-Firmen im Regionalprogramm: "Manchmal wirkte das wie Verkaufsfernsehen"
Archivmeldung vom 05.10.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie norddeutsche Moderatorin Anke Harnack, die lange für das NDR-Regionalmagazin "Hamburg Journal um 18 Uhr" arbeitete, blickt äußerst kritisch auf ihre Zeit bei der TV-Sendung zurück. Immer wieder seien Themen gesetzt worden, "bei denen im Hintergrund PR-Agenturen maßgeblich mitwirkten. Das nahm fragwürdige Ausmaße an. Es hat sich ein werblicher Charakter eingeschlichen, der sich aus meiner Sicht für eine unabhängige Berichterstattung verbietet", sagt Harnack im stern-Interview.
Harnack hatte die Sendung fast zehn Jahre lang moderiert, 2019 kündigte sie ihren freien Rahmenvertrag im Clinch um entgangene Honorare. Bei der Vorabend-Sendung seien zu ihrer Zeit "über die Jahre etliche Agenturen involviert" gewesen, erzählt Harnack. "Das ist in vielen Fällen auch in Ordnung so. Wenn aber von vornherein vorgegeben ist, dass bei einer Publikumsmesse nur solche Standbesitzer vor die Kamera dürfen, die zuvor von PR-Leuten handverlesen wurden, habe ich damit ein Problem. Dann wird eine Sendung automatisch sehr werblich. Manchmal wirkte das wie Verkaufsfernsehen."
Vermisst habe sie, dass PR-gesteuerten Themen journalistisch nur selten etwas entgegengesetzt worden sei. "Damit meine ich: Wenn man einem Immobilieninvestor in der Hafencity ein Forum bietet, wäre es gut, daneben jemanden zu Wort kommen zu lassen, der etwa die hohen Mieten in dem Stadtteil thematisiert. Doch solche Differenzierungen gab es beim 'Hamburg Journal um 18 Uhr' selten. Stattdessen präsentierte die Sendung einen Luxus-Einrichter oder eine Modedesignerin elf Minuten am Stück wie in einem XXL-Werbefilm." Bisweilen hätten Agenturen sogar versucht, den gesamten Sendeablauf zu bestimmen, so Harnack.
Hintergrund des Gesprächs sind Vorwürfe der Vetternwirtschaft sowie Beschwerden über ein vergiftetes Betriebsklima, die den Norddeutschen Rundfunk in Hamburg derzeit erschüttern. Die Senderspitze hat eine interne Aufklärung in Gang gesetzt. Dazu gehört die Frage, ob es eine unzulässige Beeinflussung des Programms durch die Fernsehchefin und Direktorin des Landesfunkhauses Hamburg gab. Eine ihrer Töchter betreibt eine der PR-Agenturen, deren Themen wiederholt im TV-Programm platziert wurden. Ob die familiären Bande ausreichend transparent waren, ist unklar. Intern jedenfalls sei die Verbindung öffentlich gewesen, sagt Harnack im stern. "Bei der 18-Uhr-Ausgabe und im Hamburger TV-Unterhaltungsressort dürfte diese Beziehung allen geläufig gewesen sein.", so die frühere NDR-Moderatorin. "Wenn Themenvorschläge dieser Agentur eingeplant wurden, hieß es aus der Redaktion schon mal: 'Auf Wunsch der Direktorin ...' oder 'Sabine hätte gern ...'. Dann wusste man Bescheid."
Harnack nimmt sich von der Kritik nicht aus. Sie habe sich damals angepasst verhalten, statt kontra zu geben. "Stolz bin ich darauf im Rückblick jedenfalls nicht."
Auf stern-Anfrage weist der NDR den Vorwurf zurück, das Regionalmagazin um 18 Uhr habe insgesamt einen "werblichen Charakter" und verweist ansonsten auf die noch laufende Untersuchung. Landesfunkhaus-Chefin Sabine Rossbach gibt an, die Redaktion nie angehalten zu haben, gegen journalistische Standards zu verstoßen: "Das ist nach meiner Einschätzung auch nicht geschehen." Die Agentur teilt mit, es habe keine Bevorzugung gegeben.
Quelle: Gruner+Jahr, STERN (ots)