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Medium Fernsehen mit Legitimierungsbedarf

Archivmeldung vom 27.09.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.09.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
TV: Konsum hat sich drastisch verändert. Bild: pixelio.de, Rolf van Melis
TV: Konsum hat sich drastisch verändert. Bild: pixelio.de, Rolf van Melis

Das Fernsehen läuft Gefahr, seine dominante Rolle als Leitmedium zu verlieren. Neue mobile Ausspielkanäle und mächtige neue Markteinflüsse durch Hardwarehersteller sowie Konzerne wie Google oder Apple machen sowohl privaten als auch öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu schaffen. Das Nutzungsverhalten der Kunden entfernt sich zunehmend vom linearen, zeitlich unflexiblen Angebot der klassischen TV-Anbieter. Ohne Anpassungen an die neuen Gegebenheiten laufen Sender weltweit Gefahr, im wachsenden Unterhaltungs- und Informations-Angebot unterzugehen.

Zudem wird eine Kernkompetenz des TV-Journalismus, nämlich die politische Information, zunehmend durch übercoachte Politiker erschwert, die nicht mehr Willens sind, die Antworten, die sich das Publikum erwartet, auch zu geben.

Kämpfen, um gesehen zu werden

"Fernsehen hat das Bild der Welt seit Mitte des 20. Jahrhunderts geprägt, es ist und bleibt das Leitmedium. 2011 hat der TV-Konsum in Europa seinen bisher höchsten Stand erreicht. Allerdings gibt es globale Veränderungen, die für die Zukunft berücksichtigt werden müssen. Smart- und Social-TV sowie mobile Plattformen etwa sind künftige Herausforderungen, die aber auch neue Möglichkeiten bieten", sagt ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in seinem Vortrag. Durch die neuen Entwicklungen müssten sich TV-Stationen gegen eine breite Palette von Online-Angeboten zur Wehr setzen, die jetzt auch auf dem Fernseh-Bildschirm zu empfangen sind.

"Privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk müssen gemeinsam kämpfen, um nicht als eine von vielen Apps in der Bedeutungslosigkeit zu veschwinden. Wir müssen unsere Inhalte schützen und den Zugang zu Rechten und Zuschauern wahren, ohne dass Hardwarehersteller oder internationale Konzerne sich dazwischendrängen", so Wrabetz. Durch Anpassungen an das Nutzungsverhalten der Konsumenten, wie zeitverzögertes Sehen oder die Verknüpfung von Sendungen mit Social-Media-Inhalten soll diese Zukunft gesichert werden. Gleichzeitig finden Gespräche mit Herstellern von internetfähigen Smart-TV-Geräten statt, um zu garantieren, dass die TV-Sender unter den standardmäßig angebotenen Content-Quellen bleiben.

Kunde ist König

"Der Kunde ist König, wir müssen hart daran arbeiten, dem Seher zu geben was er will, wann er es will und wo er es will. Dabei müssen wir besser sein als die Konkurrenz. Die Zugangshürden zum Markt sind verschwunden, es werden in Zukunft noch mehr neue Anbieter auf den Markt drängen", sagt Gary Davey von Sky Deutschland. Durch eine übergangslose Verteilung der Angebote über verschiedene Bildschirme und Kanäle entstehen auch höhere Kosten, die mit zusätzlichen Einnahmen aufgewogen werden müssen. Die Zuschauer sollen in Zukunft vor allem durch hochwertige Inhalte, die es andernorts nicht gibt, an die Sender gebunden werden.

"Fersehprogramme unterliegen Modezyklen. Ich glaube, der Zyklus der Reality-Shows und großen Samstagabend-Shows geht gerade zu Ende. Die USA zeigen den Weg in die Zukunft vor, mit bisher undenkbar hochwertigen TV-Serien. Wir zeigen diese schon zwei Stunden nach der US-Erstausstrahlung bei uns on demand. So bleiben wir auch bei den Jungen relevant. Es ist arrogant von 20-Jährigen zu erwarten, dass sie um 18:00 Uhr vor dem Schirm sitzen, um eine Sendung zu sehen. In zwei bis drei Jahren wollen wir auch eine deutsche Qualitätsserie nach US-Vorbild anbieten.

Politiker machen Information schwierig

Im Informationsbereich bereitet den Fernsehmachern ein anderer Trend Sorgen. Mit Mediencoachings hochtrainierte Politiker weigern sich zusehends, Journalistenfragen ernsthaft zu beantworten. "Trotzdem machen die Gespräche Sinn. Nichtssagende Politiker sollten einfach nicht mehr eingeladen werden", sagt Renate Graber vom Standard.

Das Niveau der politischen Diskurses in Österreich hat laut ORF-Sprecher Armin Wolf allerdings seine Spuren bei politischen Interviews hinterlassen: "Seit einiger versuchen Politiker nicht mehr, Fragen zu beantworten. Sie verbreiten wissentlich Unwahrheiten oder streiten auf einer persönlichen Ebene mit Journalisten. All diese ungustiösen Strategien sagen aber viel über die Persönlichleit der Politiker aus, weshalb die Interviews trotzdem eine wichtige Aufgabe erfüllen."

Die Politiker auf der anderen Seite fühlen sich dagegen ungerecht behandelt. "Der Druck auf Politiker ist unglaublich hoch. Es geht oft nur noch darum, wer ein Interview 'gewinnt', deshalb schützen sich Politiker mit einem Panzer aus Stehsätzen", sagt Österreichs ehemaliger Finanzminister Josef Pröll. Die politische Auseinandersetzung trete oft in den Hintergrund. "Durch zeitliche Beschränkungen und Interviews, die nur darauf angelegt sind, den Gesprächspartner zu grillen, sind inhaltliche Aussagen schwierig", so der ehemalige Polit-Pressesprecher Josef Kalina. Ein Lösungsvorschlag wäre laut den Diskutanten eine Professionalisierung auf beiden Seiten, sowie mehr Qualität statt Quantität bei politischen Interviews.

Quelle: www.pressetext.com/Markus Keßler

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