Presserat fordert besondere Sorgfalt bei Rankings Zwei Rügen wegen Sorgfaltspflichtverletzungen bei Ranglisten
Archivmeldung vom 16.09.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.09.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Kammer 1 des Beschwerdeausschusses hat auf ihrer Sitzung am 14. September 2005 in Bonn drei öffentliche Rügen ausgesprochen. IMPULSE und OMPUTER-PARTNER COMPACT erhielten je eine öffentliche Rüge wegen Mängeln bei der Veröffentlichung von Rankings.
Die Zeitschrift IMPULSE hatte auf der Basis einer Befragung von
Steuerberatern die Arbeit der Finanzämter Deutschlands bewertet und
die Ergebnisse der Studie unter dem Titel "Deutschlands schärfste
Finanzämter" veröffentlicht. Darin kommt sie zu dem Ergebnis, dass
"in Annaberg Deutschlands schärfstes Finanzamt steht". Dieses
Ergebnis stützt nach Ansicht der Redaktion auch die Bewertung eines
namentlich genannten Steuerberaters, das Finanzamt sei "unfähig und
wirtschaftsfeindlich". Unter anderem hätten die befragten Berater dem
Amt bei der allgemeinen Betriebsprüfung die größtmögliche Strenge
unter allen 575 deutschen Finanzämtern zugeordnet.
Tatsächlich verfügt das Finanzamt Annaberg jedoch nicht über eine
eigene Betriebsprüfungsstelle, die hätte bewertet werden können.
Damit werden die Ergebnisse der Studie in diesem Punkt zweifelhaft.
Wegen der herausgehobenen Position dieses Finanzamts im Ranking wie
im gesamten Beitrag wäre es aus Sicht des Presserats notwendig
gewesen, alle zugrunde liegenden Informationen besonders sorgfältig
zu prüfen. Dies ist jedoch unterblieben. Damit verletzt die
Veröffentlichung das Sorgfaltsgebot in schwerwiegender Weise. Ziffer
2 des Pressekodex fordert:
Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in
Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf
ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung,
Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht
werden. Dokumente müssen sinngetreu wiedergegeben werden.
Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche
erkennbar zu machen [...]
Zudem wäre es aus Gründen der Transparenz notwendig gewesen, in
dem Artikel darauf hinzuweisen, dass die Umfrage und das daraus
abgeleitete Ranking nicht repräsentativ waren.
COMPUTER-PARTNER COMPACT hatte auf Basis von Jahresumsätzen ein
Ranking der 25 größten Systemhäuser in Deutschland veröffentlicht.
Dabei wurden bei einem Teil der Unternehmen lediglich die
Inlandsumsätze, bei einem anderen Teil auch die Auslandsumsätze
berücksichtigt. Wegen der methodisch unterschiedlichen Behandlung der
in das Ranking aufgenommenen Firmen ergab sich ein unzutreffendes
Bild. Mit diesem Vorgehen wurde die journalistische Sorgfaltspflicht
in schwerwiegender Weise verletzt.
Der Deutsche Presserat weist in diesem Zusammenhang auf die hohen
Sorgfaltsanforderungen bei so genannten Rankings hin. Insbesondere im
Hinblick auf den Stellenwert solcher Ranglisten beim Leser und
mögliche Folgen für die Beteiligten sollten umfassende Angaben zur
Untersuchungsmethode sowie zur Repräsentativität mitgeteilt werden.
Die Redaktionen sollten zudem herausragende Werte besonders
sorgfältig überprüfen.
Der BRANCHEN ANZEIGER wurde öffentlich gerügt wegen der
Berichterstattung über einen Hersteller von Kaffeeautomaten. In der
Überschrift hatte das Branchenmagazin behauptet, dass die Talfahrt
einer bestimmten Marke unvermindert anhalte. Diese Bewertung stützte
die Redaktion ausschließlich auf die Mitteilungen anonymer Quellen
aus der Mitarbeiterschaft des Unternehmens. Objektivierte Daten eines
Marktforschungsinstituts für den Zeitraum unmittelbar vor der
Veröffentlichung ergaben ein anderes Bild. Weiterhin hieß es in dem
Beitrag, die Qualität der Ware lasse schwer zu wünschen übrig. Diese
Behauptung stützte die Redaktion auf die Angaben namentlich nicht
genannter Handelspartner und Vertriebsmitarbeiter des Unternehmens.
Eine pauschale abwertende Behauptung zu der Qualität der Geräte war
aus Sicht der Beschwerdekammer auf dieser Quellenbasis nicht
zulässig. Die Veröffentlichung verletzt damit ebenfalls die
journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Kodex.
Insgesamt behandelte die Beschwerdekammer 33 Fälle. Sie sprach elf
Missbilligungen und sieben Hinweise aus. Eine Beschwerde wurde als
begründet angesehen, es wurde jedoch keine Maßnahme ausgesprochen, da
der betroffene Verlag den Fehler eingesehen und von sich aus in
Ordnung gebracht hatte. Elf Beschwerden wurden als unbegründet
eingestuft.
Die Kammer 2 des Beschwerdeausschuss tagt am 27. September 2005 in
Bonn.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Presserat