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Otto Brenner Stiftung stellt Mängel in der "Griechenland-Berichterstattung" in den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF fest

Archivmeldung vom 08.09.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.09.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

Bei der Berichterstattung über die griechische Staatsschuldenkrise im Jahr 2015 haben die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF zentrale Qualitätskriterien verletzt. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie "Die Griechen provozieren!" der Otto Brenner Stiftung (OBS). Der Autor Prof. Dr. Kim Otto und sein Team von der Universität Würzburg haben alle Sendungen von "Tagesschau" und "heute" im vergangenen Jahr sowie deren Sondersendungen "Brennpunkt" und "ZDF spezial" zur griechischen Staatsschuldenkrise analysiert und dabei erhebliche Mängel identifizieren können. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zur Ausgewogenheit verpflichtet.

Dazu gehören das Gebot einer fairen und unabhängigen Berichterstattung und die Verpflichtung zur Überparteilichkeit. Leider wurden diese Qualitätsanforderungen nur teilweise erfüllt", fasst Kim Otto ein Ergebnis der Untersuchung zusammen, die die OBS jetzt veröffentlicht hat. Vielfach unausgewogen Die Berichterstattung war vielfach unausgewogen, lautet ein weiteres Ergebnis der materialreichen Studie.

Die griechische Regierung kam in den Beiträgen zur griechischen Staatsschuldenkrise seltener zu Wort als andere Akteure und wurde häufiger kritisiert. In gerade einmal zehn Prozent der Nachrichtenbeiträge zur griechischen Staatsschuldenkrise war die griechische Regierung mit einem O-Ton präsent, hat das Team um Otto festgestellt. Zum Vergleich: Der Anteil der deutschen Regierung war mehr als doppelt so hoch.

Außerdem wurde die griechische Regierung zehnmal öfter von Journalistinnen und Journalisten kritisiert als positiv beurteilt. Auch hier kam die deutsche Regierung deutlich günstiger davon und wurde lediglich zweimal öfter negativ als positiv bewertet. Trennung von Nachricht und Meinung nicht konsequent eingehalten Kritisch sehen die Forscherinnen und Forscher auch, dass in den untersuchten Sendungen das Gebot der Neutralität verletzt, also die Trennung von Nachricht und Meinung nicht eingehalten wurde.

In jedem zehnten Bericht haben Journalisten eine Bewertung der griechischen oder der deutschen Regierung aus dem Off vorgenommen, im "Brennpunkt" wurde die Trennung von Nachricht und Meinung sogar in jedem vierten Bericht missachtet. "Die Trennung von Nachricht und Meinung muss konsequenter beachtet werden, insbesondere in Off-Texten von Berichten", fordert Otto. Grexit statt Analyse von Reformvorschlägen Weiterhin war die Berichterstattung über die griechische Reformpolitik nur auf wenige Reformvorschläge und Politikfelder fokussiert und blieb weitgehend an der Oberfläche. In einer hohen Zahl von Beiträgen wurde nur allgemein von "den Reformen" gesprochen.

"Welche Reformvorschläge hierfür eingefordert und gemacht wurden, wurde kaum thematisiert. Dies spricht für eine geringe analytische Qualität der Nachrichtenberichterstattung", erläutert Otto. Von 139 Reformvorschlägen wurden in der "Tagesschau" nur 53 thematisiert, in "heute" nur 40. Die Beiträge fixierten sich stattdessen stark auf einen "Grexit" als Szenario für einen Ausgang der Krise. "Die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen der griechischen Staatsschuldenkrise nahm größeren Raum ein als die mit den meisten Lösungsansätzen der Reformvorschläge", sagt Otto.

Der Grexit als Sinnbild des Schreckens und des Chaos sei als Thema damit auch Ausdruck eines Negativismus, dem sich die Nachrichtenberichterstattung ein Stück weit hingegeben habe. "Ausgewogenheit, Neutralität und Tiefe in der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung sind besonders in Krisenzeiten und bei strittigen Themen wichtig", meint Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. Wegen der überragenden Bedeutung eines funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Staat und Gesellschaft begleitet die OBS dessen Entwicklung immer wieder mit konstruktiv-kritisch angelegten Studien.

"Nun sind die Sender gefordert, sich dieser fundierten Kritik zu stellen und Anregungen zu nutzen, damit zukünftig solche Einseitigkeiten vermieden werden können", so Jupp Legrand weiter. Gleichzeitig warnte die Stiftung davor, die Ergebnisse der empirisch breit angelegten und sorgfältig durchgeführten Studie einseitig auszuschlachten und für eine pauschale Diskreditierung öffentlich-rechtlicher TV-Berichterstattung zu missbrauchen.

"Das Gerede von der `Lügenpresse` ist genauso unverantwortlich wie die Behauptung falsch ist, die Mainstream-Medien seien gleichgeschaltet", gibt Legrand zu bedenken. Die Vertrauenskrise der Medien und ihr Glaubwürdigkeitsdefizit lassen sich nach Auffassung der Stiftung nur durch eine selbstkritische Überprüfung ihrer aktuellen Leistungen und inhaltlichen Angebote überwinden. Dazu gehört auch, die zentralen Erkenntnisse und relevanten Ergebnisse ernst gemeinter Medienkritik aufzugreifen. Kim Otto, Andreas Köhler, Kristin Baars: "Die Griechen provozieren!" - Die öffentlich-rechtliche Berichterstattung über die griechische Staatsschuldenkrise: otto-brenner-stiftung.de

Quelle: Otto Brenner Stiftung (ots)

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