Kriegsberichterstattung - Objektivität erstes Opfer
Archivmeldung vom 07.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas die Berichterstattung zum gegenwärtigen Irak-Konflikt betrifft, hat die US-Zeitungslandschaft ein echtes Objektivitätsproblem.
Einer Forschergruppe der Columbia University in New York ist nun der Nachweis gelungen, dass im Zeitraum von März 2003 bis März 2008 im Schnitt vier von fünf US-amerikanische Nachrichtenblätter in ihrer Berichterstattung zu Todesopfern auf der eigenen Seite übertrieben hohe Angaben verbreitet haben. Gleichzeitig wurde die entsprechende Opferzahl auf Seite der zivilen irakischen Bevölkerung deutlich reduziert wiedergegeben, was zu einem völlig verzerrten öffentlichen Bild der Ereignisse führte.
"Wir sind überzeugt davon, dass unsere Untersuchung ein wichtiges Licht auf die Rolle der Medien bei der Berichterstattung zu bewaffneten Auseinandersetzungen und den Angaben zu menschlichen Kriegsopfern werfen kann", erklärt Studienleiter Schyler W. Henderson von der Columbia Universität gegenüber dem Wissenschaftsmagazin Science Daily. Es sei zwar nicht sehr überraschend, dass die US-Blätter einseitig über den Irak-Konflikt berichten, da sie schließlich auch die Interessen ihrer Leser wiederspiegeln würden. "Mit ethisch korrektem Journalismus hat das aber nicht mehr viel zu tun", kritisiert Henderson.
Leser haben keine Chance, sich objektives Bild zu machen
"Objektivität ist zumeist das erste Opfer, wenn es um die journalistische Berichterstattung zu bewaffneten Konflikten geht", stellt Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), im Gespräch mit pressetext fest. Was den speziellen Fall des Irak betrifft, sei mittlerweile einigermaßen bekannt, dass die US-Medien bereits seit 2001 ein Objektivitätsproblem hätten. "Positiv zu vermerken ist, dass zu dieser Problematik inzwischen auch in den USA selbst eine aktive Diskussion stattfindet", ergänzt Zörner.
Dem DJV-Sprecher zufolge müssen sich Journalisten in jeder Situation an ihre Objektivitätsverpflichtung halten und versuchen, ihre Berichterstattung so weit wie möglich von einseitigen Interessen frei zu halten. "Dies gilt insbesondere für die Krisenberichterstattung. Wenn es Schwierigkeiten gibt, verlässliche Quellen zu Opferzahlen zu finden, müssen die Leser über diese Sachlage aufgeklärt werden. Andernfalls haben sie keine Chance, sich ein wirklich objektives Bild des Geschehens zu machen", betont Zörner. Von diesem Grundsatzprinzip seien auch die Medien der Kriegspartei USA nicht auszunehmen.
Quelle: pressetext.deutschland (Markus Steiner)