Wie die PR die Weltpolitik beeinflusst
Archivmeldung vom 02.10.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Krieg in der Ukraine, der Gaza-Feldzug der Israelis sowie die islamistische Bedrohung in Syrien und im Irak werden als aktuelle Beispiele bemüht, wenn es um die Macht der Bilder und den Einfluss von Polit-PR auf die Weltpolitik geht.
Selbst seriöse Medien können angesichts der zunehmenden Manipulationsversuche und Informationsflut bei gleichzeitig schrumpfenden Ressourcen nur versuchen, mit den geänderten Bedingungen fertig zu werden, sagt Martin Staudinger, Auslandschef des Nachrichtenmagazins profil, am Dienstag auf einer Podiumsdiskussion der Wirtschaftskammer Wien. Ob mit oder ohne soziale Medien, werde die nächste Zukunft zeigen.
Propagandisten und PR-Strategen lenken
Daran, dass geübte Propagandisten und PR-Strategen Medien und Weltpolitik beeinflussen, gibt es keinen Zweifel. Für Politiker und Interessengruppierungen geht es schließlich darum, die öffentliche Meinung zu gewinnen und im Idealfall auf ihre Seite zu ziehen. Im demokratie-geübten Westen sind es die stärkeren Argumente, die zählen, in autokratischen Systemen die Argumente des Stärkeren. Das Handwerk des PR- und Politprofis erlernt man daher am besten gleich im Journalismus, sagte ein Historiker im Publikum. Viele große Politiker und Staatsmänner des 20. Jahrhunderts waren am Beginn ihrer Karriere Journalisten, von Leo Trotzki über Winston Churchill bis Bruno Kreisky.
Der russische Botschafter in Österreich, Sergej Netschajew, nutzte die Veranstaltung zu einem neuerlichen Plädoyer für die Standpunkte Moskaus. Russland sei in der Ukraine nicht "Konfliktpartei", sondern "Nachbar" und als UNO-Sicherheitsratsmitglied mitverantwortlich für die Schaffung von Frieden. Für ihn sei klar, dass Politiker die Medien beeinflussen und maßgeblich dafür sind, wie Konflikte und Krisen zu interpretieren seien. Den Journalisten im Westen warf er dabei vor, nicht ausreichend in die Tiefe zu gehen. Er räumte aber zugleich ein, dass Journalisten einen "gefährlichen Job" haben, und glaube weiter an ihre Unabhängigkeit.
Scheinbare Informiertheit der Öffentlichkeit
Der versierte PR-Mann lieferte Einblicke in die russische Propagandakiste, um damit zu illustrieren, dass es dem Westen gar nicht um die Ukraine geht, sondern um eine Schwächung Russlands. "Stärke, Reichtum und eigenständige Außenpolitik Moskaus gefallen einigen nicht", sagte Netschajew. Die USA hingegen stellen den Herrschaftsanspruch in einer "unipolaren Welt" und wollten Richter, Anwalt und Urteilsvollstrecker zugleich sein. Dabei hätten die USA in Jugoslawien, im mittleren Osten und Nordafrika, dem "Unterleib Europas", wirtschaftlich wie politisch Chaos verursacht. "Der Irak liegt brach, der Terrorismus floriert. Das ist die Folge der bunten Revolutionen", ätzte Netschajew.
Der Politikberater Gregor Razumovsky zeigte auf, wie sich die politische Propaganda historisch entwickelt hat, von den klassischen Verschwörungsmethoden bis zur gezielten Veröffentlichung von Intrigen, um Feinde loszuwerden, und sprach von einer "scheinbaren Informiertheit" der Öffentlichkeit im Zeitalter der sozialen Medien. Das Übermaß an Informationen kann auch verwirren, sagte Razumovsky. Die "Kampf-Begriffe" seien zumindest nicht mehr so plump wie früher. Dazu gehören etwa "so wunderschöne Wortschöpfungen" wie Putin-Versteher analog zu "Frauen-Versteher". Das seien dann Leute, die unter "echten Männern" eben nicht ganz ernstgenommen werden müssen.
Mechanismus der Einflussnahme verändert sich
profil-Mann Staudinger, selbst einige Male zwischen den Fronten, verwies darauf, dass es politische Einflussnahme auf die Berichterstattung immer gegeben hat. Schon in den 1970er-Jahren im Biafra-Krieg waren Agenturen im Einsatz. Am Höhepunkt des Balkankrieges in den 1990er-Jahren gab es allein 30 hochaktive PR-Agenturen, zum Teil auch von NGOs gegründet, die "brutal Einfluss nahmen", dasselbe in Georgien und jetzt auch in der Ukraine. Da seien höchst professionelle PR-Stäbe im Einsatz. Zudem erlebe man heute eine unglaublich rasche Verbreitung von Informationen. "Durch die Auslagerung in soziale Netze ändert sich der gesamte Mechanismus der Einflussnahme", sagte Staudinger.
Einerseits wird es immer schwerer, ein nicht existierendes Meinungsklima vortäuschen zu wollen. Andererseits biete das Netz durch Anonymität und Verschleierung von Identitäten aber vielfältige neue Möglichkeiten der Manipulation. Fehlinformationen, Gerüchte oder massenhaft duplizierte (sich wiederholende) Reaktionen unterschiedlichster Herkunft gehören zum Tagesgeschäft. Es sei auch als kritischer und objektiver Journalist schwer, sich dem Einfluss zu entziehen, wenn in den Kommentarspalten eine "Wand von Reaktionen vor einem auftaucht". Kampagnen werden auf allen Seiten geführt, und "Sieger gibt es selten".
Politikberater Razumovsky ortet generell eine starke Neigung in Konflikten, "weiße oder schwarze Hüte" zu verteilen. Journalisten müssten rasch reagieren, unter Druck über Sheriff und Bankräuber entscheiden, auch dann, wenn sie gar keine Ahnung haben, was wirklich läuft, so der frühere Balkankorrespondent. profil-Redakteur Staudinger ergänzte, als Berichterstatter in einem Konflikt kann man nicht überall gleichzeitig stehen. Da geht es gar nicht um Manipulation und Verschwörung, sondern schlicht um die Unzulänglichkeiten in der Situation und die fehlenden Ressourcen. "Wir stoßen häufig an unsere Grenzen, aber das ist eine Linie, zu der wir stehen", sagte Staudinger.
Journalistische Kooperativen als Gegenmittel
Das brachte den Berufsgruppensprecher der PR-Berater, Bernhard Krumpel, zur Feststellung: "PR ist nicht Propaganda". Aber wenn sich die Mediensituation so weiter entwickelt, dann ist die Konsequenz eben die, dass "weniger Journalisten mehr Support" brauchen. Die Grundfrage sei, welche Verantwortung haben PR und Medien? Das seien unterschiedliche Kulturen mit erfolgreicher Geschichte, die aufeinander angewiesen sind. Die Bewertung der Informationen muss jedenfalls eine neue Priorität und Qualität erreichen. Es liegt auch künftig an den Medien, die Informationen so zu selektieren, damit sie diese verantworten können, sie stünden auf dem Prüfstein. Da sind vielleicht "journalistische Kooperativen", die Bündelung von journalistischen Ressourcen, eine Lösung.
Quelle: www.pressetext.com/Dr. Wilfried Seywald