Starpianist Igor Levit fordert Klimapolitik ohne erhobene Zeigefinger
Archivmeldung vom 30.11.2019
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Freigeschaltet durch André OttPianist Igor Levit fordert eine strengere Klimapolitik, um den weltweiten CO2-Ausstoß zu senken. "Es geht nicht darum, Flugscham zu erzeugen", sagte er im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung", "es geht um eine Politikveränderung." Gleichzeitig räumte er ein, nicht auf Flüge verzichten zu können.
Levit weiter: "Ich führe eine internationale Konzerttätigkeit, die mir keine andere Wahl lässt. Die Alternative wäre: Ich spiele nicht mehr." Allerdings fliege er nur, wenn er muss. Dabei prangerte er "Selbstheroismus" und erhobene Zeigefinger an. "Wir reden so viel über veganes und vegetarisches Essen, über dieses und jenes, und unser CO2-Ausstoß steigt und steigt." Die Ursache sieht er nicht bei Musikern, die "drei- bis viermal im Jahr interkontinental fliegen". Vielmehr kritisierte er den Kohleverbrauch der Mode- und Autoindustrie. Er selbst leiste seinen Beitrag, indem er auf Fleisch verzichte und für den CO2-Ausstoß und seine Flüge mit Kompensationszahlungen abgelte. Für Levit ist aber klar: "Klimapolitik im Wortsinn findet nicht statt."
In die Musik trägt Levit sein politisches Engagement nicht. "Musik beschreibt Zustände, sie ist kein Ersatz für politisches Handeln", sagte er. "Musik kann sehr viel, aber sie wird die Welt nicht retten." Der Pianist wird derzeit hochgelobt für seine Einspielung der 32 Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven und für die Konzertzyklen damit. Ein besonderes Lob sprach er in diesem Zusammenhang der Hamburger Elbphilharmonie aus. Er finde "den Raum absolut herausragend", sagte er. Der Große Saal sei "flexibel, unkompliziert und so direkt, so schnell und so klar wie nur möglich".
Einen gewichtigen Anteil an der Atmosphäre im Raum spielt dabei laut Levit das Publikum. "Alle im Raum freuen sich so sehr, da zu sein, dass ich beim Rausgehen spüre, wie mir 2000 Menschen das Allerbeste wünschen." Deshalb stört sich Levit auch nicht am Husten des Publikums; er könne darüber "nur lachen", da es nicht aus Boshaftigkeit passiere. "Ich erlebe die Menschen im Saal und denke mir: Das hat hier alles ein ganz großes Herz."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)